PERU
Peru ... wo nicht weit, sehr weit ist ...
Wir fahren weiter über Vilcabamba in die Berge. Die Straße wird immer abenteuerlicher und schlechter. Doch hier oben soll es einen sehr wenig frequentierten Grenzübergang nach Peru geben. Kurz vor der vermeintlichen Grenzstation übernachten wir in einem kleinen Dorf. Über WhatsApp erreicht uns die Nachricht von Travellerfreunden, die wenige Tage zuvor in Peru einreisten, dass neben der Gelbfieber-Impfung nun auch die Masern-Impfung verlangt und kontrolliert wird. Bei der Durchsicht unserer Impfpässe werden die Fragezeichen in unseren Augen immer größer. Wir sind nahezu gegen alles geimpft, aber gegen Masern? Die musste doch zu unserer Zeit jedes Kind hinter sich bringen ... und dadurch hat man doch die Antikörper sowieso? Wir durchsuchen unsere Impfpässe nach dem Wort „Masern“ und werden im vielen Kleingedruckten fündig. Diese Stelle merken wir uns und beschließen, es einfach auf uns zukommen zu lassen.
Am nächsten Morgen rollen wir zu den kleinen Hütten der Grenzabfertigung zwischen Ecuador und Peru. Alles verläuft unkompliziert, freundlich und entspannt. Schließlich werden wir auf peruanischer Seite vom Beamten der Migration zu einer resoluten Dame geleitet, die uns in hellblauer Krankenschwester-Uniform empfängt. Während sie uns über die neusten Impfvorschriften für Peru informiert, wandert mein Blick über Einwegspritzen und gekühlte Impfstoffe. Hans-Jürgen nickt und händigt ihr unsere gelben Impfpässe zur Kontrolle aus. Lange blättert sie in den vielen Seiten. Die Gelbfieberimpfung findet sie schnell, aber wo steht was von Masern? Selbstsicher zeigt HJ auf die maßgebliche Stelle in einer der vielen Spalten. Ich kann genau sehen, wie ihre Augen die entsprechende Zeile fixieren, bevor sie uns die Dokumente zurückgibt. Wir bedanken uns höflich, springen in unser Auto und schauen, dass wir Land gewinnen, ohne eine Zwangsimpfung zu empfangen. Ein Dankeschön an Günter und Michaela aus Österreich, die uns diese Info gerade noch rechtzeitig zugespielt hatten.
Die Cordillera Blanca im Norden Perus ist unser nächstes Ziel, 1400 Kilometer durch die Anden. Auf abenteuerlichen, oft einspurigen Straßen und Pisten geht es über nicht enden wollende Serpentinen. Von wenigen Metern über Meereshöhe am Pazifik entlang, fahren wir in mehreren Tagesetappen wieder hinauf in die kargen Berge auf 4000 Meter, anschließend wieder hinunter in grüne Täler und einsame Dörfer. Beim Blick aus dem Cockpit denke ich manchmal, Otto kann fliegen, so grandios sind die Ausblicke. Wir übernachten an kleinen Fincas, an unscheinbaren „restaurantes“ am Wegesrand und in romantischen Biegungen reißender Bergflüsse. Endlich erreichen wir den Canyon de Plato, die sogenannte „Entenschlucht“. Durch 35 in den Berg gehauene Tunnel schlängelt sich hier die einspurige Straße. Ständiges Hupen ist angesagt, um den Gegenverkehr auf uns aufmerksam zu machen und ihn rechtzeitig zum Anhalten und Warten in einer Ausbuchtung zu veranlassen. Hier leisten unsere Drucklufthörner gute Dienste, wenngleich wir uns schon Gedanken machen, ob die Schallwellen nicht auch brüchiges Gestein loslösen könnten. Zum Nachdenken bleibt jedoch nicht viel Zeit, denn die engen, dunklen Tunnel erfordern Konzentration.
Schließlich erreichen wir das Städtchen Caraz, das als Ausgangspunkt für die Cordillera Blanca gilt. Mit 50 über 5700 Meter hohen, stark vergletscherten Bergriesen ist sie die höchste Gebirgskette des amerikanischen Kontinents und zugleich die höchste in den Tropen. Wir beziehen den kleinen, aber feinen Campingplatz am Stadtrand von Caraz.
Das Pizzalokal „La Pizza Del Abuelo“ kommt uns gerade recht und als wir bei Dunkelheit von dort zurück zum Camp kommen, trauen wir unseren Augen nicht. Yasmin (alias Heidi) und Stefan mit ihrem Zebra erwarten uns bereits. Beide sind fester Bestandteil unserer kleinen, gut vernetzten Reisefamilie mit der wir bereits in Zentralamerika unterwegs waren. Als sie hörten, dass wir in der Nähe sind, machten sie kehrt, um uns zu überraschen. Feuchtfröhlich feiern wir unser Wiedersehen. Am nächsten Morgen ist von Weiterfahrt keine Rede mehr. Heidis Organisationstalent ging jedoch noch weiter. Heimlich hat sie auch noch Agnes und Harold (aus Fürth) aktiviert, einen kleinen Umweg zu fahren und ebenfalls in Caraz Station zu machen. Groß ist die Freude, als beide am nächsten Tag mit ihrer „Laube“ eintreffen. Beide kennen wir ja schon aus Zeiten vor unserem Reisebeginn und jetzt endlich konnte das seit 2016 geplante Treffen stattfinden. Als schließlich auch noch Michaela und Günter mit ihrem Mozart, einem LandRover Defender, eintreffen, ist Caraz und vor allem das Pizzalokal „Abuelo“ fest in unserer Hand.
04. bis 12. Oktober 2018
Es gibt Leute die sammeln Briefmarken, andere wiederum sammeln Bierdeckel, Streichholzschachteln oder Geldmünzen. Ich sammle, neben den schönen Momenten des Lebens, Reiseerinnerungen. Beides trägt wenig auf und bleibt ewig bestehen. Außerdem habe ich noch eine Leidenschaft, die Hans oft viel Toleranz abverlangt und wesentlich mehr Raum in Anspruch nimmt. Ich sammle Hüte.
Südamerika ist in dieser Hinsicht unerschöpflich. Dementsprechend wächst der Hutstapel, der jeden Morgen unser Bett einnimmt und am Abend auf den Esstisch wandert, kontinuierlich an. Hier im Norden Perus bin ich schon wieder auf der Pirsch. Die Frauen tragen Modelle, die aus den gleichen Palmblättern wie die Panamahüte gearbeitet sind. Sie sind nur breitkrempiger und wesentlich steifer.
Erst in Caraz auf dem Mercado werde ich fündig. „Dieser hier passt mir von der Größe recht gut“, gebe ich dem Hutmacher zu verstehen. Er nickt, entzündet die zwei Flammen des alten Gaskochers und erhitzt Granulat mit Wasser in einem alten, verbeulten Topf. Auf der anderen Flamme heizt er das antike Bügeleisen auf ... und macht für mich MEINEN HUT ... !
VON JÄGERN UND SAMMLERN
Wir biegen von der Hauptstraße, die durch Caraz führt, in einen schmalen Weg ab, der immer enger und holpriger wird. Otto überragt die Lehmhäuser der kleinen Dörfer links und rechts. „Laguna Paron?“ frage ich einen Peruaner. „Si, si“, antwortet er und deutet nach vorne. Also gut, Augen zu und durch. Nach den letzten Häusern windet sich der schlechte Weg in die Höhe, 32 Kilometer liegen vor uns. Die Berglandschaften der Cordillera Blanca sind so gut wie nicht erschlossen. Es führen meist nur schlechte Pisten in die Region, von wo aus man die Fünf- und Sechs-Tausender sehen kann.
Wir erleben urtümliche Landschaften, in denen die Menschen wie vor Hunderten von Jahren leben. Manchmal halten sie kurz mit der Arbeit inne, wenn sie unser Fahrzeug wahrnehmen. Was mögen sie wohl denken, bei diesem Anblick, wie wir die schlechten Wege entlang kriechen? Sind wir für sie die Störenfriede in ihrer unberührten Welt? Wir glauben nicht, denn unser freundliches Winken erwidert sie ohne zu zögern.
2000 Höhenmeter gilt es zu überwinden. Die steinigen Haarnadelkurven werden immer noch enger. Desöfteren müssen wir mit Otto zurücksetzen, um durch die Spitzkehren zu kommen. In solchen Situationen fragen wir uns schon, was wir hier eigentlich tun. Jedoch wissen wir aus Reiseberichten anderer Traveller, dass es zu unserem Ziel nur diesen Weg gibt und dieser auch für uns machbar sein sollte. Über drei Stunden benötigen wir für diese eigentlich kurze Strecke. Es ist bereits Nachmittag als wir das im Schatten liegende türkisblaue Wasser der Laguna Paron erblicken. Dicke Wolken verhüllen allerdings den Blick auf die majestätischen Gipfel hinter dem See. Nur wenige Rucksacktouristen quartieren sich im einfachen Hostel ein. Es ist ungemütlich kalt und ein Regenschauer setzt ein.
Wir positionieren Otto so, dass wir von unserem „warmen Wohnzimmer“ direkt auf den See schauen können. Ich koche Tee, während Hans, nach der schlechten Wegstecke, die für jedes Auto die reinste Materialschlacht ist, noch eine technische Rundum-Sichtung macht. Dabei stellt er fest, dass der bereits beschädigte Träger für die hinteren Staufächer nun ganz durch- und abgebrochen ist. Dummerweise befand sich daran auch die Aufhängung für das Rücklicht und das Nummernschild. Beides haben wir irgendwo auf der Strecke verloren. An ein Zurückfahren und Suchen ist an diesem Tag nicht mehr zu denken. Wir können nur hoffen, dass irgendjemand die Teile gefunden, mitgenommen, an den Wegesrand gelegt oder irgendwo abgegeben hat. Leicht frustriert und auch müde von der Höhe (4.300 Meter) verschwinden wir an diesem Abend bald im Bett.
MATERIALSCHLACHT
Es ist erst kurz nach 5 Uhr morgens als ich die Jalousie am Bett einen Spalt öffne. Der Regen hat sich verzogen und es ist klare Sicht. Nur kurze Zeit später wandern wir, mit Kameraausrüstung bepackt, ganz alleine am erhöhten Ufer des Sees entlang. Der 6.000 Meter hohe Artesonraju erhebt sich majestätisch hinter dem Blau des Gletschersees. Der Name dieses imposanten und besonders ästhetischen Berges sagt fast niemanden etwas und doch ist er „jedem“ gut bekannt. Seine fast makellos gleichmäßige Pyramidenform und seine mit Eis überzogenen Flanken verhalfen ihm zu internationaler Berühmtheit dadurch, dass er das Logo der Hollywood Produktionsfirma Paramount Pictures ziert.
15./16. Oktober 2018
FINDERLOHN
Bald befinden wir uns wieder auf der Rückfahrt. Wir müssen dieselbe miserable Serpentinenstrecke hinter uns bringen. Dabei achten wir ganz penibel auf die Wegränder und -gräben, in der Hoffnung, dort unser Rücklicht zu entdecken. Fehlanzeige! Wir erinnern uns, dass es ein Schrankenwärter-Häuschen am Anfang der Bergstrecke gab, wo wir eine kleine Gebühr entrichten mussten. Dort wollen wir nachfragen. Eventuell hat jemand das abgebrochene Teil gefunden und abgegeben.
Als wir um die Ecke biegen, grinst uns der peruanische Wärter freudig an und beschreibt mit seinen beiden Händen ein rechteckiges Gebilde. Sollte er tatsächlich unser verlorenes Gut gefunden haben? Er weiß, dass er einen dicken Fisch an der Angel hat und malt die Zahl 150 in den Sand. Überrascht von seiner Geschäftstüchtigkeit schlägt Hans ein und 150 Soles (etwa 50 US-Dollar) wechseln den Besitzer, nachdem der zum Glück unbeschädigte Träger mit Rücklicht und Nummernschild unter dem Schreibtisch hervorgeholt wurde. Angeblich hätten zwei Straßenarbeiter das Teil gefunden, an der Schranke abgegeben und würden einen Finderlohn erwarten. Wir glauben die Geschichte, hätten auch unaufgefordert eine Belohnung gezahlt und sind in erster Linie glücklich darüber, keine Ersatzteile beschaffen zu müssen, was weit teurer und zeitaufwändiger gewesen wäre.
Zurück in Caraz suchen wir nach einer kompetenten Werkstatt für Schweiß- und Schraubarbeiten. Horlando analysiert kurz unser Problem, macht uns einen Pauschalpreis und bestellt uns auf 8 Uhr für den nächsten Morgen.
Vierkantrohre, Schrauben, Muttern, Schweiß- elektroden werden in kürzester Zeit beschafft und es wird einen ganzen Tag bis in die Nacht geflext, geschweißt, geschraubt und lackiert. Stolz auf ihre geleistete Arbeit sind alle Mechaniker von Horlando, als Otto bereits bei Dunkelheit aus dem Hinterhof rollt. DANKE!
SOMOS PERU
Im Nationalpark Huascarán haben wir noch einmal die Gelegenheit über den Olympic-Pass (4800 Meter) auf das Dach aus ewigen Eisder Cordillera Blanca zu gelangen. Das Wetter ist eigentlich nicht schlecht. Unsere Kaffeepause machen wir auf einem Felsen am Fluß und beobachten die dicken Wolken, die sich an die Gipfel schmiegen. Dann schrauben wir uns mit Otto in die Höhe. Das Wetter wird schlechter, Nebel zieht auf und es fängt an zu schneien. Die gerade noch sichtbaren Ausläufer der Gletscher lassen nur erahnen, welche Eismassen momentan im Verborgenen liegen. Schneebretter brechen ab und poltern unter lautem Getöse die Hänge hinab.
Hier am Pass wollen wir bleiben und übernachten. Eine größere, ebene Ausbuchtung an der Straße erscheint uns dafür geeignet. Draußen ist es inzwischen stürmisch, drinnen, dank laufender Gasheizung, gemütlich.
Vielleicht haben wir ja bei Sonnenaufgang mehr Glück mit dem Wetter.Es wird eine schreckliche und lange Nacht, da es gegen 19 Uhr schon dunkel ist. Obwohl wir sehr müde sind, ist in dieser Höhe an Schlaf nicht zu denken. Es ist eher ein unruhiges Tösen, was uns über viele Stunden begleitet.
Es ist 5 Uhr morgens als uns ein heller Schein weckt, der durch die Ritze der Jalousie eindringt. Tatsächlich, ein kleines Stück blauer Himmel ist schon zu sehen. So hatten wir uns das erhofft. Trotzdem sind wir genervt und fühlen uns total matt. Nach einer sauerstoffarmen Nacht auf 4800 Meter ist unsere Motivation auf den Nullpunkt gesunken. Trotzdem quälen wir uns aus dem Bett, packen uns warm ein und gehen nach draußen. Erst als wir die schneebedeckte Pracht der Andengipfel ausmachen können, sind die Strapazen der Nacht vergessen. Direkt vor uns zeigt sich der höchste Berg Perus, der Huascarán, mit seinen zwei Gipfeln und einer Höhe von 6768 Metern. Nach und nach erstrahlen weitere mächtige Riesen in der aufgehenden Sonne.Wir sind voller Dankbarkeit für diesen unvergesslichen Moment.
DACH AUS EIS
18./19. Oktober 2018
Auf der Panamericana sur nähern wir uns allmählich der Wüstenstadt Lima. Spektakulär schlängelt sich die Straße entlang der Küste durch den Sand. Geschätzt zehn Millionen Einwohner hat diese Metropole, die auf zahllosen Hügeln erbaut ist. In den Außenbezirken dominieren die kargen Lehmziegelhütten.Schön ist anders, aber angeblich hat Lima auch seine schönen Seiten.
Der Verkehr wird immer dichter. Die Fahrweise der Einheimischen erlaubt kein Zögern. Nur wer entschlossen auftritt darf fahren. Im Zweifelsfall gewinnt immer der Stärkere. Es wird gedrängelt, gehupt und geschimpft. Lücke suchen, kurbeln, Gas geben, bremsen, stopp. Und doch gibt es Leute, die in solch einem Durcheinander ihren Weg finden. Hans ist so einer. Er hat keine Probleme, sich mit unserem Dickschiff zu behaupten.
Genüsslich lässt er manchmal unsere gewaltige Pressluft-Fanfare ertönen, wenn er beabsichtigt, die Fahrspur zu wechseln oder abzubiegen. Tatsächlich verstummt dann das Gehupe um uns herum, wie wenn ein Machtwort gesprochen wurde, zumindest für einen kurzen Augenblick. „Killing me softly“, denke ich und summe innerlich die Melodie dieses berühmten Songs.
Unser heutiger Stellplatz liegt im sehr schicken Stadtteil Miraflores in der Innenstadt. Das Rückwärts-Einparken, von einer vielbefahrenen Straße in den kleinen Innenhof eines Hostels, setzt dem ganzen Fahrspektakel noch die Krone auf. Wir sind angekommen in Lima, in erster Lage, mitten in der Hauptstadt Perus.
KILLING ME SOFTLY
Lima, in früheren Zeiten als “Stadt der Könige” bezeichnet, wurde im Jahre 1535 vom spanischen Eroberer Francisco Pizarro gegründet und war die Hauptstadt des riesigen Vizekönigreiches Peru, das die Spaniern kontrollierten.
Heute ist Lima eine moderne Stadt, die wesentlich weiter entwickelt ist, als der Großteil des Landes.
Besonders die Innenstadtviertel Miraflores, Barranco und San Isidro überraschen uns mit vielen Parks, Streetart und Grünflächen. Zu später Stunde erleben wir die spektakulären Wasserspiele „Circuito Mágico del Agua“ im Parque de la Reserva. Dieser Park hat es sogar in das Guinness-Buch der Rekorde als einer der größten Brunnenkomplexe der Welt geschafft.
LIMA KOLONIAL,
MODERN
20. bis 23. Oktober 2018
KULINARISCHER HOTSPOT
Das feine Ausgehviertel Miraflores der peruanischen Hauptstadt Lima ist der kulinarische Hotspot Südamerikas. Im Schatten der Nobelhotels an der Seepromenade hat sich zwischen Villen, Boutiquen und Markthallen die spannendste Restaurantszene südlich von Kalifornien entwickelt.
Anführer der Revolution war Gastón Acurio. In Frankreich ausgebildet, kehrte er mit seiner deutschen Frau, Astrid Gutsche, nach Peru zurück. 1994 eröffneten sie in Lima "Astrid y Gastón", die Keimzelle der peruanischen Spitzenküche. Die angesehene Rangliste "The World's 50 Best Restaurants" ehrte den Peruaner mit dem wilden Lockenschopf Ende Juni 2018 mit dem Preis für sein Lebenswerk.
Es gelingt uns tatsächlich, während unseres Aufenthaltes in Lima, einen Tisch bei Astrid und Gastón zu ergattern. Das Degustations-Menü besteht aus 13 Gängen. Darunter Ceviche (roher Fisch) und Cuy (Meerschweinchen). Die kleinen Häppchen der gut einsehbaren Showküche werden von vielen fleißigen, hoch motivierten Köchen frisch zubereitet. Wir erhalten Kunstwerke der Kochkunst, betreten Neuland (zumindest für uns) und erleben bisher nicht gekannte Geschmacksexplosionen.
Völlig geplättet und um viele kulinarische Erfahrungen reichen verlassen wir die peruanische Spitzengastronomie.
Es hat uns alles wirklich sehr gut geschmeckt, aber müssen es 13 Gänge sein?
Canta Rana, Barranco
Es gibt aber auch gute und günstige Restaurants, die auf Normalverdiener eingestellt sind und vor allem junge Leute anziehen. Wir essen im Canta Rana im Stadtteil Barranco und fühlen uns hier in diesem besonderen, aber einfachen Ambiente am wohlsten. Ein einfaches, köstliches Essen ohne Schnickschnack kostet hier nur ein paar Soles. Trotzdem gibt es gute offene peruanische Weine und vorab natürlich einen Pisco Sour.
Pisco Sour ist ein Cocktail, gereicht als Aperitif, mit der Basisspirituose Pisco, dem peruanischen Traubenbrand.
60 ml Pisco
30 ml Limettensaft, frisch gepresst, entspricht einer mittleren Limette
20 ml Zuckersirup (2 gehäufte Teelöffel weißen Zucker in Wasser lösen)
½ frisches Eiweiß
3-4 Eiswürfel
alles zusammen in einen Cocktailshaker geben und kräftig, mindestens 30 Sekunden lang schütteln.
Danach in ein Cocktailglas oder Weißweinglas abseihen.
Auf den Ei-Schaum 2-3 Spritzer Amargo Chuncho Bitters geben für eine würzige Note.
¡SALUD!
Pisco Sour wird überall und zu allen Anlässen getrunken, ebenso wie Bier. In Sachen Wein ist Peru dagegen noch Entwicklungsland. Dabei hatte der spanische Konquistador Francisco de Carabantes schon 1540 den ersten Weinberg Südamerikas in der Nähe von Ica angelegt, wo bis heute im Weingut Tacama die besten Tropfen des Landes gekeltert werden. Bei den Weinen können die Peruaner mit ihrem Nachbarn Chile noch nicht mithalten, kulinarisch aber haben sie in Südamerika alle abgehängt.
Auf dieser Reise ist das iPhone unser ständiger Begleiter. Da die Entwicklung dieser kleinen Alleskönner rasend schnell voranschreitet, versuchen wir auch immer auf dem neuesten Stand zu bleiben.
So stolperten wir im Internet über den Werbefilm für das iPhone XS, XS Max und XR, der in den Dünen von Ica und der Lagune von Huacachina gedreht wurde. Somit gibt es für uns gleich zwei Gründe, dort einen Stopp einzulegen. Mittels iPhone erfahren wir, dass auch Stefan und das Zebra, Günter und Michaela sowie Horst und Valerie in der Oase Station machen und dort auf uns warten. Wir verbringen zusammen wieder einen lustigen Abend mit kollektiven Kochen. Zum Sonnenuntergang am nächsten Tag geh‘ ich dann mit Hans noch zum Sandspielen ...
iPHONE
23./25. Oktober 2018
RÄTSEL OHNE LÖSUNG
Was es alles so gibt auf dieser unsrer schönen Welt. Auch wenn Wissenschaftler immer noch bessere Forschungsmethoden entwickeln, bleibt doch so manches, auf der Erde existierende Phänomen, weiterhin ein Rätsel. Die Nazca-Linien sind nur eines dieser Beispiele, denn eine eindeutige Erklärung dafür hat sich bis heute nicht finden lassen. Zwar wurden sie bereits von den Spaniern im 16. Jahrhundert entdeckt, aber als Wegmarkierung fehlgedeutet. Erst in den 1920er-Jahren wurden sie als Figuren erkannt und wissenschaftlich beschrieben.
Vor allem der Historiker Paul Kosok und die deutsche Mathematikerin und Physikerin Maria Reiche, setzten sich leidenschaftlich für den Erhalt der teilweise verunreinigten oder zerstörten Linien ein, so dass diese Geoglyphen im Jahr 1994 zum Weltkulturerbe erklärt werden konnten.
Um 1940 verlegte Maria Reiche ihren Wohnsitz von Lima direkt in die Wüste um den Ort Nazca. Fast ihr gesamtes restliches Leben widmete sie der Erforschung dieser geheimnisvollen Scharrbilder. Wir besichtigen ihr bescheidenes Wohnhaus, das nach ihrem Tode in ein Museum umgewandelt wurde. Zahlreiche Bilder, Kartographien und Aufzeichnungen über ihr Lebenswerk sind hier zu sehen. Im Garten dieses Anwesens wurde sie 1998 begraben.
Als die Panamericana mitten durch das Nazca-Gebiet gebaut wurde, ließ sie aus ihren eigenen Mitteln einen Aussichtsturm errichten, von dem aus man einen guten Blick auf Ausschnitte dreier Bilder hat. Einen wirklichen Überblick verschafft man sich allerdings nur auf dem Flug mit einer kleinen Cessna über das große Areal.
Es gibt viele unterschiedliche, wahrscheinliche und unwahrscheinliche Erklärungen für die Entstehung dieser eindrucksvollen Linien inmitten der Wüste. Erich von Däniken, Ehrenbürger der Stadt Nazca, erläutert in seinen Büchern seine Thesen im Zusammenhang mit Außerirdischen.
Die Wissenschaftlerin Maria Reiche versuchte das Rätsel zuerst mathematisch zu entschlüsseln, weil sie verschiedene, sich wiederholende Maßeinheiten entdeckte. Dennoch sah sie die Bedeutung der Linien im astronomischen Bereich. Ihrer Meinung nach legten Ureinwohner die Bilder nach Beobachtung der Gestirne an, um für ihre Nachfahren einen dauerhaften Kalender zu schaffen.
26./28. Oktober 2018
DER WEG IST DAS ZIEL
In Nazca drehen wir die Kompassnadel Richtung Osten und machen uns auf den von dort aus weiten Weg nach Cusco. Unsere Fahrt führt vorbei an der mit 2080 Metern höchsten Sanddüne der Welt (Duna Cerro Blanco) Richtung Berge. Schnell sind wir wieder auf einer Höhe von 4400 Metern. Diese Hochebene, das Altiplano, zieht sich zwischen den beiden Anden-Cordilleren bis nach Bolivien. Die Vegetation verändert sich. Peruanisches Federgras (Stipa Ichu) und Steppe sind hier Lebensraum für viele große Lama- und Alpakaherden. Dazwischen die wilden Vicuñas.
Es ist uns vollkommen egal, wie lange die Fahrt dauert. Der Weg ist das Ziel. Wir genießen die Aussicht und erfreuen uns am Anblick der besonderen Fauna und Flora. Keinen Moment der Langeweile empfinden wir bei dieser landschaftlich spektakulären Fahrt. Nach drei Tagen erreichen wir schließlich - gut akklimatisiert - die berühmte Inka-Stadt Cusco.
29. bis 31. Oktober 2018
QUAL DER WAHL
Cusco ist eine sehr touristische Stadt. Trotzdem ist es hier gut gelungen, Tradition und Moderne zu verbinden. Wir genießen die Annehmlichkeiten, die diese für Touristen notwendige Infrastruktur mit sich bringt. Die Restaurants sind ganz ausgezeichnet und der Laundry-Service sauber und effizient.
Oberhalb der Ortschaft, mit vielem engen, verwinkelten und steilen Gassen, haben wir am Campingplatz „Quinta Lala“ unser Lager aufgeschlagen. Viele bereits bekannte und auch neue Overlander, die von Bolivien aus kommend nach Cusco gelangten, leisten uns Gesellschaft. Es gibt wieder viel zu erzählen und zu besprechen.
Allem voran werden die unterschiedlichen Möglichkeiten diskutiert, wie man Machu Picchu erreichen und besuchen kann, denn ganz einfach ist das nicht. Fährt man erst mit dem eigenen Fahrzeug zum Wasserkraftwerk Hidroeléctrica oder auf den Stellplatz nach Ollantaytambo und von dort aus weiter mit dem Zug nach Aguas Calientes am Fuße von Machu Picchu? ... oder wählt man die mehrtägige Trekkingtour? ... oder nimmt man gleich die Bahn von Cusco aus nach Aguas Calientes? Es bilden sich für die verschiedenen Optionen kleine Grüppchen.
Wir entscheiden uns für die 4stündige Zugfahrt mit PeruRail von Cusco aus, um dann am Nachmittag Machu Picchu zu besuchen, wenn die meisten Touristen bereits auf dem Rückweg sind. Da man nie weiß, wie das Wetter mitspielt, buchen wir noch eine Übernachtung im Hotel Tierra Viva, um dann am nächsten Morgen noch einmal hinauf zur Ruinenanlage zu fahren und zusätzlich den Machu Picchu Mountain zu besteigen. So erhoffen wir uns genügend Zeit für die Besichtigung und größere Chancen für gutes Wetter bzw. gutes Licht zum Fotographieren. Als wir dann zwei Tagen später wieder im Zug nach Cusco sitzen, können wir sagen, dass unser Plan aufgegangen ist.
31. Oktober - 07. November 2018
Pablo ist in Lima aufgewachsen und lebt jetzt in Housten. Er organisiert Gourmetreisen durch Süd- amerika. Danke für die vielen guten Tipps, lieber Freund, auf bald!
Günter und Michaela aus Wien
mit ihrem treuen Landy MOZART
ENTDECKER
Die Autorin, Sabrina Janesch, las im Jahr 2012 in der Süddeutschen Zeitung einen Artikel, der aufzeigte, ein Deutscher habe die legendäre Inkastadt Machu Picchu entdeckt ... und dies 40 Jahre früher, als es bis heute angenommen wird. Hiram Bingham war bis dahin als Entdecker, der im Jahr 1911 Machu Picchu fand, der gefeierte Wissenschaftler. Frau Janesch recherchierte lange Jahre, tauschte sich mit den Historikern aus, reiste immer wieder nach Peru und füllte die Lücken in der Geschichtsschreibung auf. Ihre Faszination für den Ingenieur, Artillerist, Vermesser, Unternehmer, Entdecker und Schatzjäger Augusto R. Berns war längst zum Romanprojekt geworden.
Aus dem Text:
„.... Hiram Bingham ist 1911 mit einer Expedition in Peru unterwegs. Er und sein Team müssen sich mit den Bedingungen in Peru anfreunden. Da begegnet Hiram einem alten, weißen Mann, der perfekt Spanisch spricht und Bingham anfänglich keine Auskunft darüber geben will, wer er ist. Doch dann zuckt ein Lächeln über das Gesicht des Alten. Er grüßt die Wissenschaftler verschmitzt und nennt seinen Namen. Ich bin Augusto Rudolfo Berns und um Ihre Frage zu beantworten, ja, ich bin schon fast mein ganzes Leben lang hier in Peru ...“
“Die goldene Stadt” ist ein grandioser Roman über Peru, die Inkas, die Jagd nach dem Gold und Reichtum, ein faszinierendes 19. Jahrhundert und ein beeindruckendes Beispiel, wie Literatur Neues entdecken und Fehlendes erschaffen kann.
Parallel zu unserer Reise durch Peru habe ich diesen spannenden und kurzweiligen Roman gelesen. Dadurch wurde meine Vorfreude, die goldene Stadt bald selbst zu erleben noch gesteigert.
Während Hans-Jürgen unter größerer körperlicher Anstrengung den Machu Picchu Mountain besteigt, wandere ich durch die wirklich einzigartige Ruinenanlage der Inkas. Manchmal hatte ich das Gefühl, der legendäre Augusto R. Berns begleitet mich persönlich und erklärt mir das Leben der Inkas hier im heiligen Tal des Flusses Urubamba.
Erschöpft vom Aufstieg und Abstieg, aber mit vielen schönen Fotos kommt Hans-Jürgen nach vier Stunden vom Gipfel zurück. Machu Picchu war auch für uns beide ein besonderes und intensives Erlebnis. Unsere Überlegungen hinsichtlich der Reiseplanung waren richtig. Nie fühlten wir uns von Besucherströmen gestört und nirgends mussten wir anstehen. Sogar das Wetter berücksichtigte unsere Besuche der Ruinenstätte. Bei unserem Eintreffen am ersten Tag sahen wir, wie sich der Wolkenschleier lichtete, am zweiten Tag war die Sonne und gutes Licht unser Begleiter und kurz nach unserer Rückkehr vom Berg nach Aguas Calientes setzte wolkenbruchartiger Regen ein. Wir hatten einfach das Glück auf unserer Seite.
„Als Koch muss ich nur hinausgehen und mit dem arbeiten, was mir die Natur bietet", lautet das Credo des zurzeit erfolgreichsten peruanischen Spitzenkochs, Virgilio Martínez Véliz. Er zelebriert in seinen Menüs die Vielfalt des Landes und der verschiedenen Höhenlagen. Er ist unter anderem Besitzer des hochgelobten "Central" in Lima (im Jahr 2016 Rang 4 in der Liste „The World’s 50 Best Restaurants). Weiterhin betreibt er das MIL in der Nähe von Moray, einer hochinteressanten Inka Ruine, die durchaus auch im Zusammenhang zu seiner Philosophie steht. Sein Konzept interessiert uns und wir reservieren dort via Internet einen der wenigen Tische.
Nach staubiger Anfahrt und ohne einem einzigen Hinweisschild finden wir einen puristischen Lehmziegelbau. Dessen Lage, mit Blick über die Terrassenfelder von Moray, die zu Zeiten der Inka als landwirtschaftliches Versuchslabor dienten, erscheint uns als versteckter Hinweis dafür, dass wir hier richtig sind. Erst am rückwärtigen Eingang des Vierseitgebäudes mit Innenhof lesen wir zum ersten Mal den Namen „MIL“ in großen Messinglettern. Wir werden sehr freundlich und herzlich von einem jungen Mann in Empfang genommen und nach Namen sowie Reservierung gefragt. Auf dem Weg zu unserem Tisch erläutert er uns das zu Erwartende.
„Für Spitzenköche ist Peru ein Paradies auf Erden. Von der Pazifikküste über die Anden bis hinein in die tropischen Regionen des Amazonas erstreckt sich das Land über alle Klimazonen hinweg. Deshalb ist die Küche dieses Landes so vielseitig. Der Pazifik füllt die Netze mit Fischen und Krustentieren, der Amazonas die Obststände der Markthallen mit exotischen Früchten und die Hochlagen der Anden die Kisten der Bauern mit einer einzigartigen Vielfalt an Getreide und Kartoffeln. In den Anden wachsen allein 3000 Sorten Kartoffeln und auch das jüngst weltweit zum "Superfood" hochgejubelte Quinoa, eiweißreich, aber cholesterinarm. Schon die Inkas schätzten das Getreide des lila blühenden Fuchsschwanzgewächses“, weiß er zu berichten.
Große rahmenlose Fenster geben den Blick auf die weitläufige, hügelige Umgebung frei. Viele junge Leute, mit einheitlicher grün-brauner Kleidung und sauberen Schürzen beobachten, bedienen und erklären, äußerst ruhig, fast lautlos. Sehr gedämpfte Meditationsmusik untermalt das Geschehen. Plötzlich fühlen wir uns wie in einer anderen Welt. Ist das hier im Inneren des Gebäudes noch das Peru auf das wir durch die großen Fenster schauen. Wo sind wir hier gelandet? Diese vielen, hochmotivierten, gebildeten und engagierten jungen Leute aus aller Welt erscheinen uns wie im Tempel ihres Herrn und Meisters Virgilio Martínez Véliz. Sie sind stolz darauf, hier eine Anstellung gefunden zu haben und was gibt es Besseres für den persönlichen Lebenslauf als diese Adresse. Dennoch, die gesamte Atmosphäre gefällt uns nicht. Das Ambiente, die Abläufe, die Musik und die Kälte erscheinen uns sektenhaft und vollkommen ungemütlich.
Fehlerlos wird uns anschließend das vermeintlich zum Konzept passende und von Virgilio Martínez Véliz kreierte Menü inklusive passender Getränkeauswahl serviert, angerichtet auf nur zur Dekoration dienendem Beiwerk. Bei jedem aufgetragenen Gang wird ausführlich erklärt, was zum Verzehr gedacht ist und was nicht und aus welcher Höhenlage die meist als farbige Chips präsentierte Kreation stammt. Wir sind vom ersten bis zum letzten Gang enttäuscht. Kleinste, aufgesetzte, eßbare Blümchen, Algen und Blättchen. Pinzettenkulinarik. Vier kleine, unterschiedliche Kartoffeln, pur, heiß, mit grünem Dip. Zuhause würden wir fragen, was das soll. Und auch die Getränke, Weine und Biere, farbenprächtig, in kleinsten Gläsern, ein Drittel gefüllt. Alles durcheinander. Wer’s mag. Lobenswert der peruanische Kräuterlikör Matacuy.
Virgilio Martínez Véliz möchte mit seiner Küche polarisieren und das ist ihm (zumindest uns gegenüber) wahrlich gelungen. Seine Interpretation der Neuen Küche können wir nicht verstehen. In der von ihm geschaffenen Atmosphäre haben wir uns nicht einen Moment wohl gefühlt. Genuss, Gemütlichkeit und Lebensfreude, was wir mit Essen und Trinken in Verbindung bringen, fehlt in diesem Restaurant gänzlich. Der Ausdruck „Essen und Trinken im Laboratorium“ erscheint uns angemessen.
Wir können uns nur wünschen, dass dieser engagierte, weltbekannte Koch einen anderen Weg zur Küche der Zukunft findet, um sein sicherlich großes Potenzial optimal unter Beweis zu stellen. Zu unserer abwertenden Meinung anzumerken ist, dass der Großteil aller Gästerezessionen sehr positiv oder positiv ausfällt.
DAS SALZ DER INKAS
In Peru ist ein besonderes Steinsalz beheimatet, genannt Inka-Salz. Das auch unter den Bezeichnungen Sonnensalz, Inka Sun Salt, Peruanisches Quellsalz oder Maras Bergsalz bekannte Gourmetsalz wurde schon vor Jahrtausenden von den Andenbewohnern genutzt. In Maras, einem Ort im Heiligen Tal der Inkas, im Gebiet der legendären Ruinenstadt Machu Picchu gelegen, wird das Salz in einer Höhe von 3.500 Metern gewonnen. Salzhaltige Quellen entspringen in den Hochebenen der Anden, fernab jeglicher Zivilisation, wodurch sich ein besonders reines, klares und schadstofffreies Salz bilden kann. Der hohe Salzgehalt des Quellwassers entsteht durch das Auswaschen des salzhaltigen Gesteins der Anden.
Zur Gewinnung des Inka-Sonnensalzes wird das Quellwasser über 1500 Salzbecken von etwa 10 Zentimetern Tiefe geleitet, die terrassenförmig angeordnet sind und so die Sonneneinstrahlung optimal einfangen können. Dazu werden die sonnenreichen Monate genutzt und je nach Wetterlage vergeht einige Zeit, bis das Wasser verdunstet und das Salz reif zur Ernte ist. Das Gewinnungsprinzip entspricht in etwa dem des Fleur de Sel, also durch Abschöpfen des Salzes von der Oberfläche. Nach der aufwändigen Handernte durch die Salineros wird das Salz zu Fuß oder mit Lasttieren (Alpakas) ins Tal gebracht. Diese Art der Salzgewinnung hat sich seit den Zeiten der Inkas nicht geändert. Kennzeichnend für das Inka-Salz sind seine zartrosa Färbung und eine eher grobe Körnung von 0,5-2,0 mm. Wie die Art der Salzernte erinnern auch Kristallstruktur und Restfeuchte an das französische Fleur de Sel. Inka-Sonnensalz besitzt einen natürlichen Jodgehalt und enthält verschiedene ursprüngliche Mineralien.
KOCHEN IST LIEBE
Im Kontrast zur gestrigen Pinzettenkulinarik wollen wir uns heute mal der echten, unverfälschten peruanischen Kochkunst widmen. So halten wir in einer kleinen Ortschaft am Straßenrand vor einer Grillbude an und bestellen Cuy al Palo (Meerschweinchen am Stock).
Beim Aussuchen unseres Meerschweinchens merkt der Grillmeister sofort, dass wir keinerlei Erfahrung mit der von ihm angebotenen Spezialität haben. Sogleich bemüht sich die ganze Familie darum, uns die Besonderheiten zu erklären und dafür zu sorgen, dass es uns auch wirklich schmeckt.
Während unser Cuy noch im offenen Feuer brutzelt, wird Mais und Soße serviert. Dazu gibt’s noch ein Gläschen Anisschnaps, anscheinend zur Vorbeugung. Dann wird die „Sau“ in vier Teile zerlegt , auf einer ordentlich großen Portion Nudeln angerichtet und serviert.
Während wir probieren, stehen alle, die bei der Zubereitung unseres Mahls mitgeholfen haben, um unseren kleinen wackeligen Tisch und warten gespannt auf unsere Meinung. Mmmh, lecker, gut, muy bien gestikulieren wir mit vollem Mund und ausgestrecktem Daumen. Erst dann ziehen sie sich zufrieden zurück und wir experimentieren weiter.
Die Haut ist knusprig wie bei einer Gansbrust. Das zarte Fleisch ähnelt in Struktur und Geschmack dem eines Hähnchens. Einzig die vielen kleinen filigranen Knochen sind gewöhnungsbedürftig und rücken den unangenehmen Hintergedanken immer wieder in den Vordergrund. Um die nette und so um unser Wohl bemühte Familie nicht zu enttäuschen, motiviere ich Hans-Jürgen dazu, alles aufzuessen. Auch ein Schnäpschen zusätzlich genehmige ich noch. Im Gegenzug verspreche ich ihm hoch und heilig, in den nächsten Tagen wieder selbst zu kochen. Geht doch!
HINTER DEM REGENBOGEN
Die wenigen Menschen, die hier leben, sind von der Zivilisation noch genauso unberührt wie die Natur. Mütter sitzen vor ihren Lehmhütten und kauen Kokablätter. Neugierig und bescheiden nehmen die Kinder einige Bonbons an. So hautnah wie hier haben wir Peru bis jetzt noch nicht erlebt.
Erst im Jahr 2014 hat die Gletscherschmelze den Cerro Colorado (Rainbow-Mountain) freigegeben. Das Besondere am Berg mit Namen Vinicunca (5200 Meter) sind seine farbigen Sedimente aus Eisenoxid, Magnesium und Kupfer, die ihn sehr fotogen erscheinen lassen, vorausgesetzt er hüllt sich nicht, wie so oft, in Nebel. Dann und nur dann kann man auf dem Weg dorthin sogar den schneeweißen Ausangate sehen, den fünfthöchsten Berg Perus mit 6384 Metern.
Der von uns befahrene Weg zum „Basislager“ auf 4.600 Meter Höhe existiert erst seit 2017. Morgen wollen wir da hoch ... auf über 5000 Meter ... und uns den regenbogen-farbigen Berg ansehen. Zunächst steht uns aber eine sauerstoffarme Nacht bevor. An richtig schlafen ist nicht zu denken. Immer wieder wacht man auf, da der Körper zusätzliche Atemzüge verlangt.
Endlich wird es hell. Um uns herum ist es noch still, aber einige Verkaufsbuden eröffnen gerade und wappnen sich für die Tagestouristen aus Cusco. Der Himmel ist bedeckt, aber zwischen den Wolken ist schon etwas Blau zu erkennen und einige Sonnenstrahlen dringen hindurch. Wir können den Weg zum Berg erkennen, der zunächst sachte, aber dann abrupt steil ansteigt. Welch ein Glück, dass die Einheimischen ihre Pferde für uns bereit gestellt haben.
09. - 10. November 2018
WOW !
Der Canyon de Colca liegt 260 Kilometer abseits unserer Route zum Titicacasee. Hier sind sie zu sehen, die majestätischen Andenkondore mit einer Flügelspannweite von drei Metern, zumindest wenn man Glück hat. Unterschiedliche Berichte kennen wir. Mal sind die Beobachter sehr enttäuscht und berichten davon, dass der Canyon wie ausgestorben war und man keine Kondore zu Gesicht bekam. Anderen Berichten zufolge kann man die dahingleitenden Riesen nur am frühen Morgen aufsteigen sehen, was uns allerdings unwahrscheinlich vorkommt, da zu dieser Zeit die Aufwinde noch zu gering sein dürften. Wir jedenfalls wollen uns den Colca-Canyon nicht entgehen lassen, da der Kondor immer fester Bestandteil unserer Vorfreude auf diese Reise gewesen ist.
Die Fahrt führt uns über den 4900 Meter hohen Abra Patapampa Pass. Ein neuer Rekord für unseren Otto. Über Chivay führt uns die inzwischen vollständig asphaltierte Straße zum Colca Canyon. Der berühmte Aussichtspunkt Cruz del Condor, der von allen Tourbussen angefahren wird und an dem man auch mit dem Wohnmobil übernachten kann, wirkt auf uns nur wenig einladend. Komischerweise sind weder Touristen noch Tourbusse zu sehen, obwohl dieser Spot immer als touristisch hochfrequentiert beschrieben wird. Gibt es hier wirklich nichts zu sehen? Sind die Kondore nicht mehr da?
Es ist gerade 16 Uhr und wir halten Ausschau mit dem Fernglas. Ein ganzes Stück weiter südlich sehen wir mehrere große Vögel kreisen. So fahren wir weiter in diese Richtung. Ein Schild mit der Aufschrift „La Graja del Colca“ lässt uns rechts abbiegen zu einem Hostel mit Restaurant. Die Besitzer sind sehr freundlich und gegen ein paar Soles dürfen wir mit Otto parken und hier übernachten. Jetzt sollten wir uns aber beeilen und hinauf zum Mirador steigen, denn es wäre höchste Zeit, um die Kondore beobachten zu können.
Eilig schnappen wir unsere Kameraausrüstung und beziehen Stellung. Wie große Kinderdrachen schweben 14 dieser herrlichen Vögel über uns. In den folgenden zwei Stunden bis zum Sonnenuntergang fliegen sie ständig um das große Felsenplateau, das zum Anwesen gehört. Manchmal segeln sie nur wenige Meter von uns entfernt und auf Augenhöhe an uns vorbei. Sogar ihr Fluggeräusch können wir hören. Mit Einbruch der Dämmerung lässt die Flugshow allmählich nach und es wird kalt.
Wir sind überwältigt und schwer beeindruckt. Nie hätten wir an diesem Nachmittag noch mit so vielen tollen Anblicken gerechnet. Glücklich über die bereits jetzt gemachten Fotos und ziemlich durchgefroren gehen wir in das kleine Lokal. Wir sind die einzigen Gäste. Trotzdem hat man für uns Feuer im Kamin gemacht. Die Wärme tut gut und wir lassen den Tag ausklingen bei Pizza del la Casa und Vino Tinto.
Insgesamt drei Tage verbringen wir auf La Graja. Täglich sitzen wir viele Stunden im Ausguck und beobachten die prächtigen Andenkondore, wie sie scheinbar schwerelos am Canyonrand entlang gleiten und geschickt die Aufwinde nutzen, um ohne jeglichen Flügelschlag stundenlang zu schweben. Unsere Ausdauer wird auch fotographisch besonders belohnt, als sich zwei Jungvögel nur wenige Meter vor uns auf einem Felsen niederlassen. Dafür hat sich jede Minute des Wartens gelohnt und unsere von der Sonne verbrannten Gesichter und Lippen werden uns noch lange an diese Erlebnisse erinnern.
Der Andenkondor zählt zur Ordnung der Greifvögel und zur Familie der Neuweltgeier. Mit bis zu 15 Kilogramm Gewicht sind sie die schwersten Greifvögel. Ihre Spannweite kann über 300 Zentimeter betragen. Männliche, ausgefärbte Andenkondore sind an der Unterseite überwiegend schwarz und haben weiße bzw. silberne Bereiche an der Oberseite sowie eine weiße Halskrause und einen wulstigen Kamm auf dem Kopf. Weibliche Kondore sind kleiner und leichter. Jüngere Vögel (bis zu etwa 6 Jahren) sind dunkelbraun gefärbt. Andenkondore sind hauptsächlich Aasfresser. Nur alle zwei Jahre wird ein Junges aufgezogen. Der Gesamtbestand wird auf nur noch 10.000 Vögel geschätzt.
11. bis 14. November 2018
Er ist 16mal so groß wie der Bodensee und gilt als höchstgelegener (3800 Meter), schiffbarer See der Erde. Die Rede ist vom Titicacasee, den sich die Länder Peru (2/3) und Bolivien (1/3) teilen. Hier in Peru erzählt man, dass es sich bei „Titi“ um den Teil Perus handelt und der Teil „Caca“ zu Bolivien gehört, wobei man unter „Caca“ genau das versteht, was man erwartet. Angeblich wird in Bolivien die gleiche Geschichte erzählt, nur umgekehrt.
Rund 40 Schilfinseln der Uro-Indianer liegen im Titicacasee, sechs Kilometer von Puno entfernt. Das Besondere an den Inseln ist, dass es sich dabei um recht aufwändige Konstruktionen aus Totora-Schilf handelt. Die Pflanze hat durch Hohlräume im Inneren einen hohen Auftrieb im Wasser. Die Inseln bestehen aus verschiedenen, kreuzförmig aufeinander gelegten Schilf-Schichten, die insgesamt bis zu 2m dick sind. Da das Schilf von unten fault, müssen immer wieder neue Halme nachgelegt werden. Doch nicht nur der Untergrund besteht aus den hohlen Stängeln, auch die Hütten und Boote werden daraus gebaut.
Es wird vermutet, dass die Uros von den Pukinas abstammen, eines der ältesten Völker des Kontinents. Der Legende nach flohen die Bewohner des Festlandes mit ihren kleinen Booten auf den riesigen See, als ihr Volk angegriffen wurde. Sie versteckten sich im hohen Schilf und begannen bald, sich von der Pflanze zu ernähren. Als ihre Boote zu sinken drohten, kamen sie auf die Idee, das Schilf zur Stabilisierung unter die morschen Boote zu legen. Immer mehr Schilf legten sie nach, bis ganze Inseln entstanden. Seit dieser Zeit schweben ihre Inseln auf dem riesigen Titicacasee. Weder die Inka noch die Collas konnten das Volk der Uros je besiegen.
Heute leben rund fünf Familien auf einer Insel. Im schwimmenden Inseldorf gibt es eine Schule, die per Boot zu erreichen ist, eine Kirche, einen Markt und ein Kartoffelfeld. Traditionen spielen im Leben der herzlichen Uros noch heute eine wichtige Rolle. Ihre leuchtend bunten Trachten fallen schon von weitem auf. Ihr Kunsthandwerk spiegelt ihre Kultur wieder.
WIR ! AM TITICACASEE
Natürlich ist der Titicacasee touristisch sehr erschlossen. Auf einen Ausflug mit den üblichen Booten und vielen Leuten haben wir allerdings keine Lust. Laut einem Tipp von Reisefreunden ist es möglich, am Ufer des Sees auch einen Uro-Indianer anzuheuern, der uns dann mit einem kleinen Boot zu der Insel seiner Familie bringt.
Wir versuchen unser Glück und fahren langsam am Ufer des Sees entlang. Prompt werden wir von Gustino angesprochen, der uns zusammen mit seinem Sohn John herzlich begrüßt. Für den nächsten Tag vereinbaren wir mit ihm eine Tour. Um unser Auto, mit allem Hab und Gut, in Sicherheit zu wissen, nisten wir uns für die nächsten Tage auf dem bewachten Parkplatz eines nahegelegenen Hotels direkt am See ein.
Pünktlich um 9 Uhr am nächsten Morgen holt uns Gustino ab. Da er kein eigenes Auto hat, fahren wir gemeinsam mit dem Collectivo zum Anlegeplatz seines Bootes. Den Titicacasee vom Boot aus zu erleben, ist ganz anders als nur an dessen Ufer zu stehen. Die Fahrt geht durch das schilfbewachsene Ufer und es dauert nicht lange, bis wir das Dorf der Uros mitten im Wasser erreichen. Es herrscht bereits reger Betrieb auf einigen der Inseln, an denen die großen Touristenboote angelegt haben. Gustino fährt zielstrebig daran vorbei. Die Insel seiner Familie liegt etwas abseits.
WIR ! MITTENDRIN STATT NUR DABEI
Seine Frau winkt uns vom Ufer des schwimmenden Anwesens freundlich zu. Es ist ein faszinierendes Erlebnis, über die schwankende Schilfinsel zu laufen und in die Kultur der Uros einzutauchen. Außer uns gibt es hier auf der Insel keine Besucher. Herzlich werden wir von allen Bewohnern begrüßt. Es gibt nicht die geringsten Berührungsängste. Wir werden herzlich gedrückt und geküsst. Gustino erklärt und anschaulich wie die Inseln gebaut werden. Wir lernen den ganzen Familienverband kennen. Wie Freunde werden wir behandelt. Lorena redet solange auf uns ein, bis auch wir in ihre Trachten schlüpfen. Wir fühlen uns wie bei Freunden auf Besuch. Besser kann so ein Ausflug nicht ablaufen. Wir sind froh, uns für diese unkonventionelle Variante entschieden zu haben. Mittendrin statt nur dabei! Danke ihr Lieben für eure Gastfreundschaft!
ES IST DIE GESCHICHTE, DIE MAN NICHT KAUFEN KANN.
Auf der Straße durch das „Altiplano“ (Hochland) zwischen Cusco und dem Titicacasee sind zu meiner freudigen Überraschung bunte Marktstände am Straßenrand aufgebaut. Einheimische verkaufen hier Alpakaprodukte. Selbstverständlich und ohne zu zögern (Oh nein, nicht schon wieder! Anm. HJ) halten wir an.
Neben maschinengestrickten Pullovern aus Alpakawolle gibt es hier auch die (viel schöneren) handgestrickten Varianten. Schnell kaufe ich einen für Leo und auch Hans-Jürgen geht nicht leer aus. Außerdem erstehe ich noch 800 Gramm reine Alpakawolle zum Stricken. Seitdem bin ich dabei, noch einen Schal für Leo zu stricken.
Im Reiseführer lese ich, dass es im Titicacasee eine Insel gibt, wo nur Männer auf der Plaza sitzen und bunte Mützen, Handschuhe und Schals stricken. Vor allem die für die Region typischen Mützen, die „Chullos“, haben eine besondere Tradition und geben Auskunft über das Leben des jeweiligen Trägers. Da will ich hin. Ich nehme mir fest vor, dort mit den Männern ein paar Reihen zu stricken.
Wir sprechen mit Gustino, unserem freundlichen Peruaner von Puno am Titicacasee, über mein Vorhaben und er vermittelt uns an einen weiteren Freund, der täglich die weite Tour mit dem Boot hinaus nach Taquile fährt. Die Bootsfahrt dauert endlose zweieinhalb Stunden. Der altersschwache Motor tuckert und böse Erinnerungen an unseren Segeltörn werden in mir wach. Auf der kleinen, unspektakulären Insel erleben wir dann allerdings die eigentliche Enttäuschung unseres Tagesausfluges.
Als ich nach den strickenden „Hombres“ frage, schickt man mich etwas zögerlich zur Plaza. Dort angekommen kann ich nirgendwo die strickenden Männer finden. Im Shop mit Strickwaren für die Touristen werde ich dann allerdings doch noch fündig und darf mit Julian ein paar Runden mit den Nadeln klappern. Er erzählt mir im Vertrauen, dass die Männer hier nur noch bei traditionellen Festlichkeiten stricken oder dann, wenn viele Touristen auftauchen. Den Tagesausflug hätten wir uns sparen können. Einen Schal hätte ich auch fertig kaufen können, allerdings hätte ich dann nicht diese lustige Geschichte mit hinein stricken können.