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BRASILIEN

Brasilien


Hans wuchtet unsere Rucksäcke ins Mietauto. Was jetzt nicht mit an Bord ist, haben wir entweder vergessen oder mussten es umständehalber zu Hause lassen. Der mit Sorgfalt und Bedacht ausgesuchte Gasgrill, der auch als Outdoor-Backofen fungieren sollte, hat es leider nicht bis in den Rucksack geschafft ... zu sperrig, zu schwer! Macht nichts, wir sind ja bisher auch ohne ihn ausgekommen.

Bevor wir unsere Haustüre abschließen, machen wir noch einen letzten Kontrollgang durchs Haus. Der goldene Oktober lässt unseren Garten in den schönsten Farben leuchten. Kurz halte ich inne, betrachte den großen gemütlichen Esstisch, an dem wir in den letzten Wochen so viele schöne Abende mit Freunden und Familie verbrachten. Spontan hätte ich jetzt Lust, Pilze sammeln zu gehen. Doch daraus wird heuer nichts mehr. Alles hat seine Zeit und wir müssen los.

Auf der Fahrt nach Frankfurt herrscht Stille im Auto. Noch können wir uns nicht vorstellen, dass wir in einigen Stunden in unserem rollenden Zuhause in Uruguay sein werden und unser Reiseabenteuer weiter geht. Abflug Frankfurt 21.50 nach Buenos Aires, Flugzeit fast 14 Stunden. Aber wir wissen, dass es noch „dicker“ kommen wird.

Je mehr sich der Abstand zur Heimat vergrößert, verschieben sich die Welten und es kommt Vorfreude auf. Was werden wir auf der nächsten Reiseetappe wieder alles erleben? Ausgeruht und fröhlich kommen wir in Buenos Aires an, ... doch wir müssen nach Montevideo. Dachten wir noch bei der Flugbuchung, dass beide Städte nur einen Katzensprung weit auseinander liegen, so ist es doch noch eine Odyssee bis wir unser eigentliches Ziel erreichen.

„Wer ist so blöd und fliegt nach Buenos Aires, wenn er nach Montevideo muss?“ frage ich Hans, während er mir den viel zu schweren Rucksack aufsetzt. Das ist ungefähr so, wie wenn du nach Mallorca fliegen willst, in Barcelona aussteigst, um den Rest der Strecke zu schwimmen, mit Gepäck wohlgemerkt, umständlicher geht’s wohl nicht? 

 

Buenos Aires ist die Hauptstadt von Argentinien und Montevideo die von Uruguay. Dazwischen liegt die sehr breite Mündung des Rio de la Plata. Los geht’s mit dem Taxi vom Flughafen Buenos Aires zum Fährhafen. Zwei megaschwere große Rucksäcke, zwei kleine schwere Rucksäcke und ein kleiner Koffer, voll mit Technik und Büchern, quälen sich, ohne Gepäckwagen, auf vier Beinen durch die dortigen Zoll- und Sicherheitsbereiche, um dann, in eineinhalb Stunden mit dem Schiff hinüber nach Uruguay, nach Colonia del Sacramento, zu fahren. Dort angekommen muss umgeladen werden und zwar auf den Bus. Nach drei weiteren Stunden Fahrt erreichen wir dann Montevideo, wo uns glücklicherweise Felix (vom UY-Storage) und sein kleiner Sohn erwartet. Schnell ist unsere Fracht auf seinem Dodge-Pickup verladen und nach einer weiteren Stunde stehen wir vor unserem OTTO. Sogleich hat er uns in seine Arme genommen, alles war wieder gut und die 36 Stunden Reisezeit schnell vergessen.


An dieser Stelle ein Tipp: Wenn man sein Auto in Montevideo einstellt, nach Europa und wieder zurück möchte, dann gibt es nur einen logischen Flughafen, nämlich Montevideo, auch wenn es von dort keinen Direktflug nach Deutschland gibt und man zum Beispiel in Paris einen Zwischenstopp einlegen muss. Ich bin überrascht wie uns so ein blöder Anfängerfehler passieren konnte.

ZURÜCK INS ABENTEUER

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10. Oktober 2019

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IGUAZU WASSERFÄLLE

Brasilien nimmt 47 Prozent der Landfläche von Südamerika ein. Auch in diesem Land wollen wir uns einiges anschauen. Recht zügig, bevor die Regenzeit einsetzt, machen wir uns auf den Weg und fahren 1000 Kilometer Richtung Norden. Unser erstes Ziel sind die zum Weltnaturerbe der UNESCO gehörenden Iguazu-Wasserfälle, direkt am Grenzverlauf zwischen Brasilien und Argentinien. Hier stürzt sich der Rio Iguazu in zahlreichen Kaskaden bis zu 82 Meter in die Tiefe. Ein imposantes, tosendes Schauspiel. Neben den Niagara-Fällen in Kanada und den Victoria-Fällen in Zimbabwe zählen die Iguazu-Wasserfälle zu den Mächtigsten der Erde.

10. Oktober 2019

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TRANSPANTANEIRA

Wir haben gelesen, dass es in Südamerika einen Ort gibt, an dem die Wahrscheinlichkeit sehr hoch ist, Jaguare beobachten zu können. Porto Jofre am Rio Cuiabá im tropischen Pantanal gilt als besonders guter Ausgangspunkt für eine Jaguar-Safari. Um dorthin zu gelangen, müssen wir nochmal fast 2000 Kilometer weiter in den Norden von Brasilien fahren, um über Campo Grande, Cuiabá und Poconé die Transpantaneira zu erreichen. Diese 150 Kilometer lange, mit roter Erde aufgeschüttete Straße führt dann fast schnurgerade, über etwa 120 zum Teil abenteuerliche, baufällige Holzbrücken durch ein atemberaubendes und tierreiches Feuchtgebiet in die Pampa.

Ende Oktober 2019

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JAGUAR   SAFARI

Am späten Nachmittag des dritten Tages auf der Transpantaneira erreichen wir das Jaguar-Camp bei Porto Jofre. Hier werden, neben Biologen und Profifotografen aus aller Welt, auch Touristen beherbergt. Es gibt nur wenige Zimmer und einen zentralen Aufenthaltsraum mit Restaurant. Wir dürfen Otto mitten im Camp platzieren. Nur mit dem Buschflieger oder über die beschriebene Transpantaneira ist dieser Ort zu erreichen. Wer hier herkommt will vor allem eines, Jaguare sehen. Ailton, der Betreiber dieses Öko-Camps ist sich dessen bewusst und meistert den Spagat zwischen Naturschutz und Tourismus. 

 

„Von Menschen hat der Jaguar hier nichts zu befürchten“, erläutert er anwesenden Gästen aus Russland, England und Deutschland bei einem Vortrag nach dem gemeinsamen Abendessen. Das war jedoch nicht immer so. Bis in die achtziger Jahre wurden Jaguare im Pantanal massiv gejagt. Als Kind kannte Ailton nur tote Jaguare. „Voller Stolz hätten die Kinder der Farmer in der Schule Bilder der erlegten Raubkatzen gezeigt“, erzählt er. Natürlich sei es vorgekommen, dass ein Jaguar auch einmal ein Rind gerissen habe, aber das sei nicht der eigentliche Grund für das Töten gewesen. Als Trophäe hingegen erbrachte ein toter Jaguar vor allem gesellschaftliche Anerkennung für den Erleger und so mussten viele der prächtigen Tiere ihr Leben lassen.

 

Heute ist alles anders. Die Tiere in diesem Gebiet sind geschützt und Ailton und sein Team sorgen dafür, dass es so bleibt. Fasziniert berichtet er von ihrer Kraft und Eleganz. Im Gegensatz zu anderen Großkatzen wie Löwe, Tiger oder Leopard tötet der Jaguar seine Opfer nicht mit Prankenhieben oder Bissen in den Nacken, sondern durch einen einzigen Biss in den Kopf. Menschen empfänden solch‘ einen Angriff oft als besonders grausam, dabei sei es für das Beutetier ein schneller Tod, erklärt er seinem internationalen Publikum.

 

Auf dem amerikanischen Kontinent soll es zwischen 15.000 und 25.000 Jaguare geben. Die Tiere ähneln zwar Leoparden, sind aber eher mit Tigern vergleichbar. Männchen wiegen im Schnitt um die 120 Kilogramm. Ursprünglich waren Jaguare auch im Süden der USA verbreitet, mittlerweile findet man sie aber nur noch in Mittel- und Südamerika. Wie Tiger leben Jaguare am Wasser und sie entfernen sich meist auch nicht allzu weit davon. „Hier am Rio Cuiabá gibt es Wasserschweine und Kaimane im Überfluss. Da kein Jagddruck herrscht, können die Jaguare hier ein weniger verstecktes Leben führen. Eure Chancen, morgen einen Jaguare zu sehen, sind deshalb wirklich sehr hoch“, verspricht er uns. Dann werden wir noch in drei Gruppen eingeteilt.

 

„Wir werden um 5:30 Uhr bei Sonnenaufgang starten, 4 Stunden wird unsere erste Pirschfahrt dauern. Das Mittagessen nehmen wir dann gemeinsam im Camp ein und um 14 Uhr starten wir erneut zu einer weiteren 4stündigen Fahrt ins Revier“, so erklärt er uns den Ablauf des nächsten Tages und zieht sich zurück.

 

Um 4 Uhr am nächsten Morgen sind wir wach. Die Köchin bereitet bereits das Frühstück für alle Teilnehmer zu. Ailton steht im Pirsch-Outfit auf der Terrasse mit einem Topf Kaffee in der Hand. Er beobachtet die Teilnehmer aus Moskau, die ihr Equipment noch einmal prüfen und bereitlegen. Auch im Ottomobil herrscht Hochbetrieb. Präpariert mit Sonnencreme und Moskitoschutz sind wir die Letzten beim Frühstück.

 

Langsam geht die Sonne auf, der Dschungel erwacht. Ailton und seine Männer fordern zum Aufbruch auf. Stillschweigend zieht die Karawane durch den Dschungel ans Ufer zu den Booten.

 

Das Pantanal dehnt sich über 230.000 Quadratkilometer aus und ist damit etwa so groß wie Großbritannien. Langsam nehmen die Boote Fahrt auf, während die Kaimane das Weite suchen. Im wilden Ritt jagen wir gegen die Strömung den Fluss hinauf und biegen dann in einen schmalen Seitenarm ab. Unser Bootsführer geht vom Gas. Die Sonne lässt den Fluss glitzern, während sich die Landschaft im Wasser spiegelt.

 

Wir sind nicht weit vom Ufer entfernt, doch den Reiher auf einem nahen Baum stören wir nicht im geringsten. Nichts bewegt sich, kein Ton ist zu hören, die Szenerie wirkt wie eine Photographie. Wir erschrecken, als der Reiher mit lautem Gekreische abhebt und verschwindet. Gleichzeitig nehmen wir wahr, wie sich das Schilf am Ufer bewegt ...

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Insgesamt sehen wir an diesem Tag auf zwei Pirschfahrten vier Jaguare. Einen davon können wir fast zwei Stunden beim Jagen begleiten. Nie hätten wir uns träumen lassen, einmal Teil einer solchen Expedition sein zu können. Am Abend feiern alle Teilnehmer der Truppe diesen für uns erfolgreichen Tag. Wir schließen Freundschaft mit den Russen, die uns nach Moskau einladen und auch mit den Franzosen tauschen wir Visitenkarten. Ich sehe, wie Ailton alleine draußen auf der Terrasse ein Bier trinkt. Man sieht ihm an, dass auch er zufrieden ist, weil sein Konzept vom Ökotourismus zum Schutz der Jaguare wieder einmal sinnhaltig war.

Ende Oktober 2019

Ameisenbär
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Auf der Suche nach dem Ursus Magnus Ameisis (Myrmecophaga tridactyla)

 

(... inspiriert durch die bekannten Tierfilmer und Filmemacher Arendt und Schweiger, die wir immer sehr bewundert und deren Sendungen wir mit Leidenschaft verfolgt haben ...)

Die weltgewandten Tierbeobachter Etzend und Laugisch (Ähnlichkeiten mit anderen Personen jedweder Art wären rein zufälliger Natur) befinden sich seit Tagen in einem der größten Binnenfeuchtgebiete der Erde. Ort des Geschehens ist das Pantanal im Westen Brasiliens, nahe der Grenze zu Bolivien. Nach dem Jaguar-Abenteuer im nördlichen Pantanal in der Flusslandschaft bei Porto Jofre, erkunden die beiden inzwischen eine wenig befahrene Route im südöstlichen Teil dieses Naturparadieses. Diese führt von Rio Verde de Mato Grosso etwa zweihundert Kilometer nach Aquidauana (BR 427 und BR 419). Die holprige Waschbrettpiste mit kraterartigen Schlaglöchern führt, teils auf staubigem Untergrund und oft durch rotschlammigen Matsch, tief hinein ins südamerikanische Outback. Der nächste Ort ist Stunden entfernt. Die Savannenlandschaft wirkt eintönig, aber sie haben die zahlreichen Hügel im Grasland, eigentlich sind es rote Türmchen, kunstvoll gebaut von Termiten, nicht übersehen. Hier sind sie ihrem Ziel sehr nahe.

 

Etzend entdeckt sie zuerst, die Spuren im Staub. Sie stoppen ihr schweres Gefährt, stellen den Motor ab, steigen aus und begutachten die Trittsiegel auf dem Fahrweg. Groß sind sie, größer als ein Handteller und ganz frisch. Auf diese Gelegenheit haben sie gewartet. Sofort wird die Kameraausrüstung geschultert und das Gelände hinsichtlich aller Bewegungen abgeglast. Langsam, leise und in tieferer Gangart bewegen sie sich durch das harte Savannengras, durch stacheliges Gestrüpp. Sie verzichten auf den Einsatz der Machete, um geräuschlos vorwärts zu kommen. Und da steht er, auf einer Lichtung unter einem schattenspendenden Baum, gerade damit beschäftigt, einen Termitenhügel zu traktieren, ... der Große Ameisenbär. Wieder einmal wurde die Ausdauer und Zähigkeit von Etzend und Laugisch mit großartigen Aufnahmen belohnt. (Hans-Jürgen, im November 2019, mit besonderen Grüßen nach Königwinter an die Vorzeige-Biologen Ulrike und Friedhelm)

ABKÜHLUNG
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Auf dem Weg von Uruguay in den Norden des Pantanal waren wir immer auf direkter Strecke unterwegs, um möglichst vor der anstehenden Regenzeit die Transpantaneira zu fahren, was uns dann auch geglückt ist. Das bedeutete fünf Tage fahren, fahren, fahren, an Tankstellen übernachten und am nächsten Morgen weiter Kilometer schrubben. Schließlich waren ja 3000 Kilometer gen Norden zurück zu legen.

 

Auf dem langen Rückweg Richtung Süden gehen wir es gemütlicher an und finden zurück zu unserer normalen Reisegeschwindigkeit. Natürlich sitzen wir erneut viele Tage im Auto, doch bei der Suche nach Übernachtungsplätzen geben wir uns wesentlich mehr Mühe und biegen von der asphaltierten Hauptstraße auf die roten Erdstraßen ab. Sofort sind wir dann wieder im grünen Paradies. Papageien und Tukane beobachten das Ottomobil auf der Suche nach geeigneten Stellplätzen. Meist ist der nächste klare Fluss nicht weit, so dass wir nach langen Fahrtagen Abkühlung in Naturschwimmbecken und unter kleinen Wasserfällen finden. Brasilien ist wirklich paradiesisch, täglich überrascht uns dieses schöne Land aufs Neue.

ABKÜHLUNG

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Die Gegend um die kleine Stadt Bonito im südlichen Pantanal ist bekannt für glasklare, fischreiche Flüsse. Nahezu unberührt schlängelt sich der schmale Rio Sucre durch das Dschungelgrün.

 

"Macht absolut nichts, was das Wasser aufwühlen könnte, berührt nicht den Boden beim Schwimmen, bleibt ganz ruhig und bewegt euch langsam", befiehlt Vitorio, unser Guide. Mit Neoprenanzug stehen wir bis zum Bauchnabel im seichten Wasser, probieren die Tauchmasken mit Schnorchel aus und üben das Schweben im Wasser. Erst als er sich sicher ist, dass alle Teilnehmer seine Anweisungen verstanden haben, steigen wir in ein kleines Boot und fahren den Flusslauf hinauf.

 

An einer Holzbrücke heißt es aussteigen und sogleich lassen wir uns nacheinander vorsichtig ins Wasser gleiten. Die Strömung trägt uns sanft abwärts. Während Hans schon fischgleich im Wasser liegt, fällt es mir bei der geringen Wassertiefe schwer, den Fuß aufzusetzen. Erst nach ein paar Minuten gelingt es mir zu entspannen und den Kopf ständig unter Wasser zu halten. Verblüfft schaut mir ein großer Fisch zuerst in die Augen und schwimmt dann "kopfschüttelnd" weiter. Begeistert von der mir bisher unbekannten Welt fühle ich mich bald wie Dorie in "Findet Nemo", die hinter jedem Stein etwas Neues entdeckt. Nach einer guten Stunde im Wasser erreichen wir sichtlich beeindruckt wieder unseren Ausgangspunkt. 

FRISCHE FISCHE

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JUANITA

Der kleinen Stadt mit dem verheißungsvollen Namen Bonito (hübsch, schön) können wir zunächst nur wenig abgewinnen. Aufgrund der Schnorchel-Tour und einem schönen Platz an einem Hostel mit gutem WiFi halten wir uns jedoch drei Tage in dem Örtchen auf. Wir haben mal wieder Lust auf Essengehen, wobei wir es uns zur Angewohnheit gemacht haben, ein Lokal sorgfältig auszusuchen und dann mehrere Tage hintereinander dort hinzugehen. Meist wird man bereits am zweiten Tag besonders herzlich begrüßt und wie ein Stammgast behandelt.

 

In Bonito entscheiden wir uns für das einfache, aber sehr gut bewertete Restaurant JUANITA. An drei Abenden hatten wir Gelegenheit, das Wirken der Chefin, nach der das Lokal benannt ist, zu beobachten. Bereits am ersten Abend fiel uns auf, wie sie mit Argusaugen nicht nur jedes Gericht begutachtete, das die Küche verließ, sondern weiterhin verfolgte, wie die Gäste beim Servieren auf das ihnen vorgesetzte Essen reagieren. Dabei wirkte sie couragiert und streng, der Erfolg gibt ihr recht. Jeden Abend ist das Lokal rappelvoll, die Belegung der Tische wechselt mehrfach, alle Ober arbeiten Hand in Hand, aber trotzdem keineswegs hektisch oder genervt, obwohl sich vor der Eingangstüre schon wieder eine kleine Warteschlange gebildet hat.

 

Juanita lächelt uns schon von weitem zu, als sie sieht, wie wir am zweiten Abend ihr Lokal betreten. Mit einladender Geste zeigt sie auf den Tisch an dem wir gestern saßen. Kurz darauf fragt uns der Kellner, ob wir damit einverstanden wären, wenn uns Juanita ein Menü zusammenstellen würde, die Küche wäre bereits instruiert. So mögen wir das ... und das lästige Übersetzen der portugiesisch brasilianischen Speisekarte entfällt.

 

Hatten wir gestern, nach einer grünen Vorspeise, Fisch gewählt, so bekommen wir an diesem Abend ein fulminantes Fleischgericht vom Rind serviert, auf den Punkt gegart und unglaublich zart. Es schmeckt wieder köstlich, ohne viel Schnickschnack, handwerklich auf einem sehr hohen Niveau.

 

Am dritten Abend, nachdem wir wieder bestens gegessen hatten, war es uns ein besonderes Bedürfnis, dieser kräftigen mannhaften Frau ein Kompliment für ihre Arbeit und ihren Fleiß auszusprechen. Sie freute sich sehr über diese Geste und nahm uns sogleich mit in die Küche. Wir staunten nicht schlecht, wie dort an allen Ecken und Enden gewerkelt, mit Dampf gegart und über offenem Feuer gegrillt wurde. Unter vorgehaltener Hand verriet sie uns ein paar ihrer Geheimnisse für besonders zartes Fleisch. Danke liebe Juanita, wir waren gerne bei dir zu Gast.                                                                              (im November 2019)

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Seit zwei Tagen machen wir wieder mal Strecke, um aus der schwülen Hitze der Tropen heraus zu kommen. Ganz zufällig erblicken wir einen Golfplatz rechts der Straße und biegen ab. Die Frage von Hans, ob er hier seine Schläger schwingen darf und ob wir noch ganz nebenbei mit unserem Fahrzeug auf dem Gelände stehen bleiben können, wird sofort bejaht. Eduardo, ein junger dynamischer Versicherungsagent, holt ihn sofort mit seinem Cart ab und schon stehen sie am Abschlag Nummer 1. „Heute ist Men’s Day“ auf Pine Hill, erklärt er ihm beiläufig und schreibt seinen Namen auf die Score-Card. Er spielt eine 8 über, wohlgemerkt auf 9 Löchern. „Not bad“, meinte Eduardo.

 

Selbstverständlich sind wir auch beim abendlichen Buffet herzlichst eingeladen und von unbeschreiblicher Gastfreundschaft umgeben, obwohl wir nahezu kein Wort portugiesisch sprechen. Ein bisschen Englisch kann jeder und außerdem haben alle ihre Wurzeln in Europa, zumindest Generationen zuvor.

PINE HILL GOLFCLUB

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LACTOBOM

Wir lernen Roberto Bombardelli kennen. Seine Familie stammt, wie sein Name unschwer erraten lässt, aus Italien und ist 1923 nach Brasilien ausgewandert. Aus kleinen Anfängen heraus haben sie ein Unternehmen aufgebaut, das Milch und Milchprodukte herstellt. Roberto lädt uns ein, den Betrieb zu besichtigen. 

Natürlich nehmen wir sein Angebot an, denn es sind gerade solche Erlebnisse und Begegnungen, die uns fremde Länder näherbringen. So ziehen wir um mit unserem „Casa Móvel“ (Haus auf Rädern) auf das weitläufige Firmengelände vor das große Haus von Robertos Bruder Renato. 

Am Abend werden wir mit einem Barbecue überrascht. Renato bringt Eduardo und Marcello und weitere Freunde vom Golfplatz mit. Es wird gekocht und im offenen Kamin gegrillt, unkompliziert und herrlich italienisch. Während am Herd das Risotto blubbert, werden der Esstisch ausgezogen und viele Stühle aufgestellt. Nach und nach treffen auch die dazugehörigen Frauen ein. Die Gastfreundschaft und Aufgeschlossenheit der Familie uns gegenüber ist unglaublich.

War ich bisher die einzige Frau in dieser lustigen Männerrunde, bin ich jetzt umzingelt von brasilianischen Schönheiten. Eine von ihnen war, vor ein paar Jahren, sogar gewählte „Miss Brasil“. Inmitten dieser wundervollen Frauen fühle ich mich wie Inge Meysel bei Heidi Klum‘s Casting Show. „Such‘ das nächste Mauseloch und spring‘ schnell rein“, meldet sich mein Unterbewusstsein. Doch die Mädels behandeln mich wie ihre beste Freundin und verwickeln mich pausenlos in ein Gespräch. Interessiert und begeistert sitzen wir zusammen. Sie wollen alles wissen, über uns und unsere Reise. Da wir uns auf Englisch unterhalten, ist mein Gehirn so beansprucht, dass ich mich nicht weiter mit meinen Komplexen beschäftigen kann. Wir genießen einen lustigen Abend mit köstlichem Essen in mitten dieser fremden Menschen und es fühlt sich an, als wären wir schon immer Freunde mit der gleichen Leidenschaft für Golf. (im November 2019)

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Brigitte
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BRIGITTE

Wir verlassen die Hauptstraße Richtung Curitiba bei Guarapuava. Hier in der Gegend soll es Siedlungen von deutschen Auswanderern geben. Mehr wissen wir nicht, als wir durch Entre Ríos, im Bundesstaat Paraná, in Brasilien rollen. Und tatsächlich, wie in dem Märchen ... hinter den sieben Bergen, bei den sieben Zwergen ... wirkt plötzlich alles wie bei uns zu Hause in Deutschland. Schöne Häuser mit großen Gärten und ordentlichen Zäunen ziehen sich die Hauptstraße entlang. 

 

Als wir den von uns anvisierten Stellplatz erreichen, haben wir ein Problem, denn das Restaurant Brot+Café hat geschlossen ... und plötzlich stand sie vor uns, strahlend, fröhlich und ohne Eile. „Kann ich euch helfen“, fragt sie verbindlich und ohne Umschweife. „Ich bin Brigitte“, stellt sie sich vor und steckt dabei ihre Hand hoch ins Fahrerhaus.

 

Das ist nur der Anfang einer langen Geschichte, die wahrlich märchenhaft anmutet. „Ihr kommt doch aus Deutschland! Das hab' ich gleich an eurem Auto erkannt und da gehört es sich doch, dass man Grüß Gott sagt und Hilfe anbietet“, sagt sie so ganz selbstverständlich. Längst sind wir ausgestiegen, um der „Guten Fee“ auf Augenhöhe für ihr Erscheinen zu danken. Mittlerweile hat sich auch ihr Sohn Marcello dem Empfangskomitee seiner Mutter angeschlossen. 

 

Wir schildern den beiden kurz unser Problem mit dem Stellplatz und wie die bezaubernde Jeanni zwinkert Brigitte eine grandiose Lösung herbei. „Alex, mein anderer Sohn, hat einen Brauereigasthof mit großem Parkplatz, nicht weit von hier, im zweiten Dorf, da könnt ihr stehen.“ Begeistert sagen wir zu und verabreden uns dort für den Abend.

 

Nur kurze Zeit später fahren wir beim Suábia, dem Schwaben-Bräu, vor. Alex erwartet uns schon. 

„Hallo, ihr seid die Deutschen, die meine Mutter aufgegabelt hat; natürlich könnt ihr hier am Parkplatz stehen. Darf ich im Gegenzug ein Foto von eurem Auto vor meiner Gaststätte machen und das auf Instagram posten?“ Was für eine Frage? Natürlich, selbstverständlich und jederzeit gerne. So nimmt die Geschichte Fahrt auf und geht ihren Lauf, denn Entre Ríos ist ein Dorf, besser gesagt, es sind fünf Dörfer. Wenn da einer mit dem 

Auto aus Deutschland kommt, spricht sich das genauso schnell herum, wie die Ankunft eines Brasilianers in unserer Stammkneipe in Gumpertsreuth.

 

Es ist noch früh am Abend. Alex hat noch etwas Zeit und erzählt uns kurz das Entstehen seiner Kneipe. Wir staunen, denn es handelt sich um ein modernes Pub, hip, mit anthrazit gestrichenen Wänden und acht selbstgebrauten Bieren vom Fass, das so jederzeit in Schottland oder eben auch in Deutschland großen Zulauf hätte. Erst vor drei Monaten hat er eröffnet. Damit hat er sich einen lang gehegten Traum erfüllt. Das Handwerk des Bierbrauens hat er in Deutschland gelernt. Mit seinem Konzept will er vor allem die jüngere Generation ansprechen, da es bereits einen traditionellen Brauereigasthof in einem anderen der fünf Dörfer gibt. Er hat sein Konzept so entworfen, dass beide Gaststätten nebeneinander existieren können. Das betrifft auch die Speisekarte. Alex bietet eher kleine Gerichte wie Currywurst, Leberkäs-Semmel und Hamburger mit Pommes an, während "Donaubier" im anderen Dorf gut bürgerlich kocht. Auch in der Musikauswahl hat er einen anderen 

Stil. Im Suábia gibt es moderne Musik nur von bekannten deutschen Interpreten. „Wir sind hier eine kleine Gemeinde, da achtet man sich gegenseitig und das tun die Anderen auch“, erklärt uns Alex.

 

Schnell füllt sich das schöne Lokal in dem wir uns seit der ersten Minute wohlfühlen. Einige der Gäste kommen direkt auf uns zu: „Ihr seid doch die Deutschen mit dem Lastwagen. Da wollen wir doch schnell mal Grüß Gott sagen und euch herzlich willkommen heißen in Entre Rios", hören wir mehrfach und sind beinahe sprachlos bei soviel Gastfreundlichkeit. Auch Walter und Carolin, die Betreiber unseres eigentlich anvisierten Stellplatzes treffen ein und stellen sich vor. Es tut ihnen sehr leid, dass sie bei unserem Eintreffen nicht zuhause waren. Mit ihrem Erscheinen bekräftigen sie ausdrücklich, dass wir jederzeit und von Herzen gerne bei ihnen am Flugzeug-Hangar stehen können.

 

Wir genießen einen wunderschönen, herzlichen Abend, bei Currywurst, Gulasch im Teigmantel und natürlich frischgezapften Bieren. Das dunkle Porter mit cremigem Schaum war bei Hans der Favorit an diesem Abend.

 

Der Artikel zu den Fotos endet hier, aber die Geschichte ist noch lange nicht zu Ende. 

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SCHWABEN

Die Geschichte der Donauschwaben ist sehr umfangreich und komplex. Deshalb hier nur eine vereinfachte Darstellung:

 

Die österreichisch-ungarische Monarchie (Habsburger) eroberte um 1700 n. Chr. in Kriegen gegen die Osmanen (Türken) große Ländereien in Südosteuropa, insbesondere im Verlauf der unteren Donau und deren Mündung ins Schwarze Meer. Um 1720 warben die österreichischen Kaiser vor allem Bauern aus Deutschland zur Besiedelung und Bewirtschaftung der eroberten Gebiete an, wonach sich viele Schwaben aus dem heutigen Baden-Württemberg, aber auch aus anderen Landesteilen, dorthin auf den Weg machten und sich in der neuen "schwäbischen Türkei" landwirtschaftliche Existenzen aufbauten. Ihre Sprache, ihre Dialekte und ihre Traditionen behielten sie bei. Es entstand der Name "Die Donauschwaben".

 

Nach dem Ende des Ersten Weltkrieges im Jahr 1918 zerbrach die österreichisch-ungarische Monarchie und die bis dahin unter einer Regierung stehenden Gebiete wurden an verschiedene Länder (Ungarn, Rumänien, Jugoslawien) verteilt. Kulturelle und soziale Trennungen waren die Folge. Noch viel schlimmer kam es zum Ende des Zweiten Weltkrieges, als Russland die Ostfront zurückeroberte und die Donauschwaben zu Tausenden aus ihren Gebieten vertrieben und zum Teil grauenhaft ermordet wurden. Überlebende dieser Vertreibung wohnten sieben Jahre in Notunterkünften in Österreich.

 

1951 organisierte die humanitäre Schweizer Europahilfe ein alternatives Lebensprojekt auf freiwilliger Basis in Brasilien. Ziel war es, dort große Flächen zu kolonisieren, landwirtschaftlich zu nutzen und eine Genossenschaft für die Vermarktung der Agrarprodukte zu gründen. 500 Familien, 2446 Donauschwaben, bewarben sich für diese Aktion und sahen darin ihren Weg in eine neue Zukunft. Sieben Schiffe (1951-1953) brachten sie über den Atlantik in den Süden Brasiliens, nach Entre Rios (zwischen die Flüsse) in die Nähe der Stadt Guarapuava. Was sie dort vorfanden war nahezu undurchdringlicher Urwald und keinerlei Infrastruktur. Sie gründeten die bis heute maßgebliche landwirtschaftliche Genossenschaft Agrária und schafften es, von Rückschlägen geprägt, durch Zusammenhalt, Kraft und Ausdauer viele Hindernisse zu beseitigen. Sie schrieben eine der bemerkenswertesten Seiten zur Geschichte der deutschen Einwanderung nach Brasilien. Heute zeugen fünf wunderschön angelegte Dörfer mit schmucken Häusern und gepflegten Gärten vom Erfolg und vom Fleiß der Donauschwaben. Der Bezirk Entre Rios wurde zur einzigen, heute noch bestehenden Gemeinde der Donauschwaben, ähnlich, wie sie einst in Südosteuropa existierte. HJ

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WAS MACHEN MIT DEN DEUTSCHEN?

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Unsere Anwesenheit in Entre Rios hat sich schnell herumgesprochen in den umliegenden fünf Dörfern. Wir kommen aus dem Staunen nicht heraus. Allen "Donauschwaben" ist es ein echtes Bedürfnis, dass wir uns in ihrer Welt wohlfühlen. Brigitte koordiniert die mittlerweile eingegangenen Einladungen für die nächsten Tage:

 

SAMSTAG:

Brauereibesichtigung der Marke "Metzgerbier" bei Christian, Einblick in die dortige Aufzucht von Champignons und anschließendes Barbeque mit Alexander und Familie

SONNTAG:

Sonntag: Besichtigung der etwa 100 Kilometer außerhalb von Entre Rios liegenden Fazenda der Familie Weckl mit Chimarrão-Zeremonie (Mate-Tee, trinken und genießen), zelebriert von Brigitte's Sohn Marcello

MONTAG:

Besuch des historischen Museums, dann Yoga bei Astrid und abends Besuch des Brauerei-Gasthofs "Donau-Bier" mit traditioneller Küche

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DIENSTAG:

Besichtigung des Memorials von Mathias und Elisabeth Leh

(Mathias Leh war der am längsten amtierende Präsident der Genossenschaft Agrária und hat die Geschicke und die positive Entwicklung von Entre Rios maßgeblich geprägt, Elisabeth Leh steht für umfangreiche Sozialarbeit und kulturellen Fortschritt), im Anschluss gemütlicher Abend bei Elke Basso, der Tochter der Lehs.

MITTWOCH:

nochmal Yoga bei Astrid und anschließend Live-Interview im Radio von Entre Rios, wo wir von Karin und Klaus über unsere Reise befragt werden und ausführlich berichten dürfen. Spätestens jetzt kennt uns jeder in Entre Rios.

DONNERSTAG:

Den Donnerstag verbringen wir mit Grillen bei Carolin und Walter am Hangar 03, auf deren gut ausgestatteten iOverlander-Stellplatz wir mittlerweile gezogen sind. Beide reisen ebenfalls oft und gerne, so dass wir besten Gesprächsstoff haben. Ihr Restaurant "Brot&Café" bietet sowohl Mittagstisch als auch Kaffee und Kuchen. Walter, der hauptberuflich Flieger ist und die landwirtschaftlichen Maisanbaugebiete mit dem Flugzeug gegen Krankheiten besprüht, zeigt uns auch die Zentralgenossenschaft Agrária, die das wirtschaftliche Herzstück von Entre Rios bildet, die Vermarktung der Ernten übernimmt und sich um viele soziale und kulturelle Belange kümmert.

Nach einer Woche kündigen wir schweren Herzens an, jetzt langsam Abschied nehmen zu müssen. Brigitte übernimmt wieder die Koordination der Abschiedspartys:

 

Montag, Asado bei Elke und Paolo, der ein wahrer Künstler der Fleischzubereitung ist. Seine traumhaften Steaks werden nie in Vergessenheit geraten.

 

Dienstag, Abschiedsparty mit Bier- und Grillfest bei Sepp in der Musikbude des C-Dur-Trios, wo Hans das Schlagzeug übernehmen darf.

 

Mittwoch, Abschiedsabend in der Suabia-Bräu bei Alexander und seinen süffigen selbstgebrauten Bieren.

 

Donnerstag, romantisches Candle-Light-Dinner bei Brigitte, die uns all' die Tage mit so viel Gefühl und Herzlichkeit begegnet ist, dass uns Tränen in den Augen stehen.

 

Es ist nahezu unglaublich, was wir in Entre Rios alles erleben und wie viele herzensgute Menschen wir kennenlernen durften. Zwei Wochen lang waren wir quasi "Ehrenbürger" inmitten der deutschen Auswanderergemeinde. Die Geschichte der Donauschwaben und die Gastfreundschaft der Nachfahren haben uns zutiefst berührt. In besonderer Freundschaft bleiben wir mit Entre Rios für immer verbunden.

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MONTAG:

DIENSTAG:

MITTWOCH:

DONNERSTAG:

FREITAG:

... nach zwei Wochen All-Inclusive-Urlaub bei den Donauschwaben rollen wir langsam weiter Richtung Curitiba. Nur wenige Kilometer hinter Entre Rios plagt uns schon die Sehnsucht und wir legen die CD

des C -Dur Trios auf ...

RIO
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JETZT ODER NIE

Natürlich wollen wir uns auch Rio de Janeiro anschauen. Seit unserer Ankunft in Brasilien beobachten wir täglich mehrmals die Wettervorhersage für diese Metropole mit der spektakulären Lage am Atlantik, die momentan im Dauerregen steckt. Unter diesen Umständen macht es für uns nur wenig Sinn, die 1000 Kilometer Richtung Norden abzuspulen und so streichen wir Rio enttäuscht von unserem Reiseplan.

Trotzdem kann ich es nicht lassen und studiere weiter die WetterApp. Siehe da, mitten in all den Schlechtwetterwolken taucht plötzlich, ab morgen, ein Zeitfenster von drei Tagen Sonnenschein auf. 

 

Jetzt oder nie! 

 

Wir kontaktieren Fritz, einen Donauschwaben, der in Rio lebt, als Reiseführer arbeitet und Zimmer an Touristen vermietet. Natürlich hat uns Brigitte diesen Kontakt vermittelt, damit wir in diesem Moloch mit 12 Millionen Einwohnern nicht untergehen. Fritz sagt zu und schon fliegen wir am nächsten Tag von Curitiba nach Rio. Die Sonne scheint vom wolkenlosen Himmel und bereits auf der Fahrt vom Flughafen zu unserem Gastgeber können wir die imposante Christus Statue auf dem Berg Corcovado sehen.

Beim Kennenlerngespräch fragt uns Fritz, was uns an seiner Stadt mit unzähligen Sehenswürdigkeiten denn besonders interessiert. Wir haben uns drei Schwerpunkte gesetzt:


Zum einen wollen wir Rio als Ganzes erfassen. Die außergewöhnliche Lage, zwischen den bergig bewaldeten über 1000 Meter hohen Hügeln, mit Zuckerhut und Christus-Statue, interessiert uns am meisten. Am besten aus der Vogelperspektive und von verschiedenen Seiten. Fritz schmunzelt und nickt.

 

Dann wollen wir natürlich die weltberühmten Strände sehen: Copacabana, Ipanema, Leblon. Fritz zeigt den Daumen hoch.


Außerdem interessiert uns das Leben in den ausgedehnten Favelas, den Armenvierteln Rios. Wir fragen Fritz, ob er eine Möglichkeit sieht, mit uns dorthin zu gehen. "Das wird schon etwas schwieriger", gibt er uns zur Antwort.
 

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LEBEN AUF DER ANDEREN SEITE

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Gemeinsam im Auto von Fritz starten wir die Tour am nächsten Tag. Gleich als erstes schlängelt sich der alte Fiat durch die engen dreckigen Gassen steil den Hang hinauf. Mototaxis überholen uns links und rechts. Das geschäftige Treiben zwischen den steil aufragenden abenteuerlichen Bauten wirkt chaotisch und es stinkt. "Jetzt sind wir mitten in einer Favela", erklärt Fritz, "hier baut jeder wie er will, Baugenehmigungen gibt es nicht. Alleine als Touristen solltet ihr euch hierher nicht verirren. Wir parken mal hier um die Ecke und besuchen einen alten Bekannten von mir. Da könnt ihr auch mal eine solche Wohnung von innen sehen."


Ganz fest drücke ich meinen Rucksack an mich ... aussteigen hier? Von allen Seiten werden wir beäugt, denn es ist unschwer zu erkennen, dass wir hier nicht hingehören. Aber mit Fritz genießen wir Welpenschutz. Er grüßt den Mann vom Gemüsestand links und den Metzger rechts, stapft voraus und wir folgen ihm zügig. Selten haben wir so ein Durcheinander auf so engem Raum erlebt. Die Gassen sind so schmal, dass nur eine Person zwischen den Häusern Platz zum Laufen hat. Überall gehen Seitenwege ab. In den Läden werden überwiegend Lebensmittel angeboten. Aber auch Einrichtungsgegenstände aus recyceltem Schrott gibt es überall.


Anfangs fühlen wir uns noch unwohl, aber bald verlieren wir unsere Hemmungen und unterhalten uns mit Jugendlichen, die ihre selbstgemachten Bilder vor den Häusern der Favelas verkaufen. Interessiert fragen sie auf englisch wo wir herkommen und sind unglaublich stolz, als wir ihre Arbeiten loben und einige Exemplare kaufen. Fritz lässt uns dabei keine Sekunde aus den Augen.

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HIER GEHT'S LANG

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Fritz deutet auf ein schwarzes Loch, in dem viele schmale Treppenstufen zu einer Tür führen. "Hier wohnt mein Freund César", sagt er, während er mit einem vereinbarten Klopfzeichen an den Bretterverschlag hämmert. Kurz darauf hören wir dahinter eine Person näherkommen, die einen Bossa Nova trällert. "Bom Dia", vernehmen wir, während zeitgleich die Tür von Hängeschlössern befreit wird.

 

Im rot-schwarz-gesteiften Fußball-Trikot steht ein kleiner Mann vor uns und breitet die Arme weit aus. „Die Flamengos sind Meister geworden. Meine Jungs haben alle in Grund und Boden gespielt", verkündet er stolz. Mit einladender Geste bittet er uns in sein Reich. Während er mit Fritz auf portugiesisch über die Fussballmeisterschaft spricht, stehen wir auf seiner Terrasse und schauen uns um. Der Ausblick ist gigantisch ...

 

Sprachlos betrachten wir die Bauten der Favelas vor uns. "Da unten, wo die große Straße verläuft, ist die Grenze zwischen arm und reich", erzählt  César, während er einen Kaffee für uns kocht. Ich habe eine Frau und zwei Töchter. Meine Frau betreut die Straßenkinder hier im Viertel und meine Töchter studieren. Sein väterlicher Stolz ist nachvollziehbar angesichts der schwierigen Verhältnisse hier.

 

Es klopft wieder an der Tür. "Das ist meine Frau", sagt César und springt auf. Wieder haben wir Gelegenheit uns umzuschauen. Die Familie wohnt auf drei Etagen mit je einem Raum. Äußerst einfach, aber penibel sauber. Laut schnatternd und gutgelaunt ergänzt jetzt auch Theresa unsere Kaffeerunde. Die Stimmung in diesem Haus ist ganz besonders, denn die Eheleute strahlen in ihrem Tun eine Zufriedenheit und Frohsinn aus, wie man es nur selten findet.

 

César zeigt Hans was er für Maschinen zu Holzbearbeitung gebaut hat, dann legt er Musik auf und tanzt mit mir einen Bossa Nova. Seine Frau nimmt auf der Schaukel Platz und singt dazu. Einfach so ..., weil es schön ist, die Sonne scheint und weil die Flamengos die Meisterschaft gewonnen haben. Theresa erzählt von ihrer Arbeit mit den Kindern. Viele der Eltern arbeiten den ganzen Tag und können sich nicht um die Kinder kümmern. Es gibt ein Gemeinschaftshaus in dem für die Kinder gekocht wird und am Nachmittag verschiedene Kurse angeboten werden. So müssen die Kinder nicht in den Straßen herumlungern. "Ich liebe meine Arbeit", sagt sie, während sich ein warmes Lächeln auf ihrem Gesicht ausbreitet. Wir fühlen uns wohl, es ist gemütlich und lebendig auf der bescheidenen Terrasse mitten in einer der größten Favela von Rio. Ohne unseren Donauschwaben wäre diese Begegnung wahrscheinlich nie möglich gewesen.

 

Obwohl ich die Antwort bereits zu wissen glaube, bitte ich Fritz, Theresa und ihren Mann zu fragen, ob sie, wenn sie viel Geld hätten, hier wegziehen würden. Kopfschüttelnd und mit den Armen wild gestikulierend lautet ihre einstimmige Antwort: „NEIN! Niemals!“

 

Anerkennend lächelnd umarme ich die stämmige Frau mit dem großen Herzen. Zufriedenheit ist eben ein hohes Gut, das man mit Geld nicht kaufen kann. 

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Die nächste Stunde im Auto ist es mucksmäuschenstill. Wir hängen unseren Gedanken nach und Fritz steuert seinen Fiat durch dichten Verkehr. Dann erreichen wir endlich die Zahnradbahn am Fuße des Corcovado. Zwanzig Minuten dauert die Fahrt durch üppiges Grün hoch zur Christus-Statue (Cristos Redentor, Christus der Erlöser). 

 

Der Himmel ist strahlend blau, dazu fast kein Wind und gute Fernsicht. Selbst Fritz ist begeistert. "Solche Tage gibt es hier oben nicht allzu oft im Jahr, lasst euch Zeit und genießt den Ausblick", sagt er noch, bevor er sich für die nächsten zwei Stunden zurückzieht. Da braucht es auch keine Worte mehr, bei diesem An- und Ausblick. Da stehst du sprachlos da, an den unterschiedlichen Aussichtspunkten, und bist überwältigt angesichts der Tatsache, dass du das gerade alles erleben darfst. Jeder für sich, inmitten vieler Leute, die man kaum noch wahrnimmt.

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JEDER FÜR SICH

FINALE

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Fritz ist zufrieden, spürt er doch unsere Begeisterung für seine Heimatstadt. Während wir noch einen schnellen Kaffee trinken, holt er sein Gefährt und kurz darauf schlängelt er uns durch den dichten Berufsverkehr des späten Nachmittags. Ungeduldig trommeln seine Finger aufs Lenkrad. Die Sonne steht schon tief, als wir mit der Seilbahn die Zwischenstationen am Zuckerhut erreichen. Es ist nicht mehr viel los. Zielstrebig schreitet unser Guide voran. Während Fritz verhandelt, versuchen wir die gigantischen Ausmaße Rios zu erfassen.

„Alles klar ... sie machen noch einen letzten Flug für heute“, mit diesen Worten katapultiert er uns zurück ins Hier und Jetzt. Nur Minuten später sitzen wir im Hubschrauber und fliegen dem Sonnenuntergang entgegen.

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STRANDSCHÖNHEITEN

Wie der Wetterbericht vorhersagte, scheint die Sonne auch am nächsten Tag. Ohne Fritz wandern wir entlang der Copacabana. Pausenlos drücke ich meinen Rucksack fest an mich. Vor Straßenjungs, die hier Touristen beklauen, hat uns Fritz eindringlich gewarnt. Die große Kamera haben wir sicherheitshalber nicht mitgenommen und nur weil Hans mir Rückendeckung gibt, traue ich mich, mein Handy zu zücken, um das markante Muster des breiten Boulevard-Gehsteiges zu fotografieren.

 

Hans will ans Meer. So laufen wir durch den heißen Sand Richtung Sonnenschirme. Frischfleisch denkt sich wohl der Liegestuhlvermieter und kommt auf uns zu. Hans gibt ihm einen Obolus und sofort wird ein Platz mitten im Geschehen aufgebaut und mit einem Sonnenschirm beschattet.

 

Sichtlich zufrieden macht es sich Hans gemütlich und hält Ausschau nach den weltbekannten Strandschönheiten. Doch leider kommt er nicht wirklich dazu, seinen Blick schweifen zu lassen. Immerfort wird er von Ich-AGs belagert, die bemerkenswerte Verkaufstüchtigkeit an den Tag legen. 

 

"Popcorn? ... nein danke! Sonnenbrille? ... nein, hab ich schon! Caipirinha mit Limetten und Eis? ... nein danke, es ist ja erst Mittag! Camarones gegrillt? ... nein, bei der Hitze! Als ihn dann der Caipirinha-Verkäufer zum dritten Mal ein Getränk anbietet, kann er nicht widerstehen. Jetzt ist er vollkommen tiefenentspannt und amüsiert sich köstlich darüber wie ich versuche, einen aufdringlichen Bikiniverkäufer schnell wieder los zu werden, weil ich ihn für einen potentiellen Taschendieb halte. Strandschönheiten sind - außer mir - an diesem Nachmittag keine mehr zu sehen. Anschließend wandern wir noch durch die Stadt.

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ADVENTSKALENDER

Wie ein Adventskalender hat Brasilien jeden Tag eine neue Überraschung parat. Mal ist es ein herrlicher einsamer Sandstrand an dem wir verweilen. Dann wieder führt unsere Strecke in 284 Kurven von der Küste hinauf ins grüne Hochland. Einige Tage fahren wir nur über Erdstraßen Richtung Süden. Vollkommen unerwartet finden wir noch das Versteck vom Nikolaus in der Kleinstadt Canela und dürfen mit Otto auf dem Weihnachtsmarkt übernachten.

Zu guter Letzt erkunden wir noch ein bedeutendes Weinanbaugebiet in Brasilien. Im Vale dos Vinhedos (Tal der Weinberge westlich der Stadt Bento Gonçalves), was natürlich nicht folgenlos für uns bleibt. An unserem letzten Abend, kurz vor der Grenze nach Uruguay lernen wir noch Marcia und ihre Mutter kennen, die einen winzigen Campingplatz an der Lagune betreiben. Mit großer Freude öffnen sie am Abend ihr winziges Lokal in einem Pavillon und kochen nur für uns.

Was für ein großartiges Land, das wir erleben durften. Dieser 2monatige Abstecher in das südliche Brasilien hat unsere Reise auf dem südamerikanischen Kontinent komplettiert. Brasilien hat uns wahrlich reich beschenkt.

 

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